Die Influenza bereitet ganzjährig Probleme. Der Verlauf ist eher schleichend. Impfungen können den Erregerdruck senken. Wichtig ist aber auch, die Infektketten zu unterbrechen.
Vorbei sind die Zeiten, als die Influenza nur in den kalten Wintermonaten und im Frühjahr Probleme bereitete. Inzwischen ist sie in vielen Betrieben ein Dauerproblem, das keine Saisonalität mehr kennt.
Auch das Krankheitsbild hat sich verändert. Früher lief das Virus innerhalb von zwei Wochen kurz, aber heftig durch den ganzen Bestand und verschwand dann wieder. Einige Schweine litten unter hohem Fieber, wirkten abgeschlagen und wollten nicht fressen. Manche Tiere wiesen Nasenausfluss auf. Das konnte mit bellendem Husten und Atemwegsbeschwerden einhergehen, musste aber nicht.
Virus zirkuliert im Bestand
Heute dagegen ist die Infektion häufig schleichend bzw. endemisch. Einmal in den Bestand eingeschleppt, kann der Erreger hier monate- oder jahrelang zirkulieren. Das gilt vor allem für größere Betriebe. Es bildet sich eine Infektionskette zwischen Sauen und Ferkeln verschiedener Altersgruppen.
Äußerlich sieht man den Tieren häufig kaum etwas an. Mitunter verschlechtert sich die Fruchtbarkeitsleistung der Sauen. Einige Aufzuchtferkel leiden unter Atemwegsproblemen und bleiben in ihrer Entwicklung zurück. Die verminderte Leistungsfähigkeit kann sich bis in die Mast hinein auswirken.
Offenbar können auch sehr junge Ferkel bereits infiziert werden, z.B. am Gesäuge der Sau. Die Ferkel erkranken jedoch nicht, weil sie durch die mit der Biestmilch aufgenommenen Antikörper noch geschützt sind. Aber sie können die Influenzaviren bereits ausscheiden.
Dadurch springt der Erreger pingpongartig zwischen den verschiedenen Altersgruppen hin und her. Besonders kritisch ist es, wenn sich Treibe- und Zuluftwege kreuzen, kümmernde Ferkel zurückgesetzt oder verschiedene Altersgruppen gemischt werden.
Schweine als Mischgefäß
Es gibt verschiedene Gattungen von Influenzaerregern. Am verbreitetsten sind InfluenzaA-Viren. Sie kommen bei Vögeln sowie bei etlichen Säugetieren vor, wie z.B. beim Schwein, Pferd, Seehunden und beim Menschen.
Die größte Herausforderung bei der Influenzabekämpfung ist die enorme Wandlungsfähigkeit des Erregers. Sein Genom besteht aus acht Bausteinen, sogenannten Segmenten. Wird eine Wirtszelle, z.B. beim Schwein, gleichzeitig von zwei verschiedenen Elternviren infiziert, können die Segmente untereinander vermischt werden. Genetiker sprechen von einer Reassortierung. Bei zwei verschiedenen Elternviren können so 254 genetisch ganz unterschiedliche Reassortanten entstehen.
Das Problem: Jede Reassortante kann neue Eigenschaften besitzen. So passt sich das Influenzavirus optimal an sich verändernde Umweltbedingungen an und kann auch neue Wirte befallen. Schweine spielen dabei eine zentrale Rolle. Denn sie können sich nicht nur mit den eigenen, arttypischen Influenzaviren anstecken, sondern auch mit Grippeviren, die vom Menschen oder Vögeln stammen. Schweine wirken dadurch wie eine Art Mischgefäß (Mixing vessel). Ein weiterer Grund für die enorme Wandlungsfähigkeit des Erregers ist, dass es bei der Vervielfältigung der genetischen Information, wenn sich das Virus im Wirt vermehrt, immer wieder zu Kopierfehlern kommt. Das führt zu spontanen Punktmutationen und einer schleichenden antigenetischen Veränderung.
Pandemische Variante nimmt zu
Beides zusammen, die Reassortierung und die Punktmutationen führen dazu, dass immer neue Subtypen entstehen. Man unterscheidet sie anhand ihrer beiden Oberflächenantigene Hämagglutinin (H) und Neuraminidase (N).
Eine von Impfstoffhersteller Ceva von 2020 bis 2022 in 2.092 Schweinehaltungen in elf europäischen Ländern durchgeführte Studie ergab, dass sich in den meisten Betrieben (30,5%) der von Vögeln stammende Virus-Subtyp H1avN2 (av=aviär) nachweisen lässt (siehe Übersicht). Am zweithäufigsten (25,3%) fand man den Subtyp H1avN1. Untersucht wurden Proben aus Betrieben mit klarer Influenza-Symptomatik, aber auch Betriebe mit unklaren Atemwegs- und Fruchtbarkeitsproblemen.
Auf Rang 3 folgt dann bereits mit 15,6%der 2009 entstandene, vom Menschen stammende pandemische Subtyp H1pdmN1. Der Anteil dieses Virustyps ist in den letzten beiden Jahren besonders stark angestiegen. Und auf dem vierten Platz (12,3%) folgte dann der ebenfalls vom Menschen stammende Subtyp H1huN2 (hu=human).
Der Subtyp H1pdmN2 folgt auf Platz 5 mit einer Nachweisrate von 10,1%. Die geringsten Nachweisraten wiesen die Subtypen H1huN1 (3,4), H3N2 (2,2%) und H3N1 mit 0,38% auf.
Zwischen den europäischen Ländern bestehen allerdings große Unterschiede. In Dänemark und Ungarn wurden z.B. gar keine H1hu-Subtypen gefunden. Dafür spielen in Dänemark die beiden pandemischen Subtypen und H1avN2 eine größere Rolle und in Großbritannien überwiegen die H1huN2- und H1pdmN1-Subtypen.
Influenzaviren treten jedoch selten als Einzelspieler auf. Meist sind noch andere, virale ober bakterielle Begleiterreger beteiligt. Hinzu kommen nicht infektiöse Ursachen wie schlechte Haltungsbedingungen (Stallklima- oder Hygienemängel) oder Stress beim Transport und Umstallen, die das Immunsystem der Tiere zusätzlich schwächen können.
Atemwegserkrankungen bei Schweinen, die häufig mit einem verminderten Wachstum junger Schweine verbunden sind, werden deshalb als Faktoren- oder Komplexerkrankung bezeichnet. Man spricht vom sogenannten PRDC (Porcine Respiratory Desease Complex).
Neue Begleiterreger entdeckt
Neue Untersuchungen zeigen, dass sich als Begleiterreger neben PRRS- und Circoviren häufig das Porcine Respirovirus (PReV-1) und das Porcine Orthopneumovirus (SOV) nachweisen lassen. Es kann zu Doppel- und Tripelinfektionen mit den genannten Viren kommen. Mitunter lassen sich aber auch nur das Porcine Respirovirus oder das Porcine Orthopneumovirus nachweisen.
Als häufig anzutreffende bakterielle Begleiterreger kommen Mycoplasma hyopneumoniae, APP, Haemophilus parasuis, Pasteurelle multocida, Bordetella bronchiseptica und Streptococcus suis infrage.
nachweis per PCR
Um die genaue Ursache einer komplexen Atemwegserkrankung abzuklären, ist neben der klinischen auch eine labordiagnostische Untersuchung erforderlich. Dazu verwendet man Nasentupfer, die bei lebenden Tieren gewonnen werden oder Wischtupfer aus Lungenproben, die man bei der Sektion erkrankter Tiere aus den Lungenbronchien entnimmt.
Ideal sind Proben von klinisch auffälligen, fiebernden Tieren (≥41°C), die deutlich schniefen oder teilnahmslos in einer Ecke der Bucht kauern. Man findet diese Tiere vor allem im Ferkelaufzuchtstall, seltener im Saugferkelbereich. Die Tupferproben sollten in ein geeignetes Transportmedium (Virokult) gegeben und gut gekühlt ins Labor transportiert werden.
Um einen Überblick zu bekommen, welche Subtypen im eigenen Schweinebestand kursieren, beprobt man sowohl die Saug- als auch die Absetzferkel. Bewährt haben sich je zehn Proben von Saugferkeln (mit oder ohne klinische Beschwerden) in der dritten Lebenswoche, Aufzuchtferkeln eine Woche nach dem Absetzen und verdächtigen Absetzferkeln im Verlauf der Aufzucht. Um Kosten zu sparen, lassen sich jeweils fünf Proben poolen, sodass man am Ende sechs Proben zur Untersuchung einschickt.
Im Labor werden die Proben dann mithilfe der quantitativen PCR (Polymerase-Kettenreaktion) in Echtzeit (RT-qPCR) untersucht. Die PCR-Verfahren wurden inzwischen angepasst, sodass auch die neu hinzugekommenen Erreger wie das Porcine Respirovirus und das Porcine Orthopneumovirus nachgewiesen werden können.
Zurzeit wird daran gearbeitet, in der Routinediagnostik die PCR-Untersuchung durch das Verfahren des „Next Generation Sequencing“ (NGS) zu ersetzen. Dadurch lassen sich die diagnostischen Lücken deutlich verringern.
Behandlung und Vorbeugung
Begleitkeime der Influenzaviren können zu Lungenentzündungen bis hin zu plötzlichen Todesfällen führen. Akut erkrankte, stark fiebernde Schweine sollten als Sofortmaßnahme daher mit einem geeigneten Antibiotikum behandelt werden. Sind ganze Buchten oder Abteile betroffen, erfolgt die Behandlung am Besten über das Futter oder die Tränke.
Es lässt sich aber auch vorbeugend einiges tun. Speziell auf den jeweiligen Betrieb und die Erregerlage zugeschnittene Impfprogramme können das Ausmaß der klinischen Erscheinungen mildern, die Viruslast in der Lunge der Tiere vermindern und die Virusausscheidung reduzieren.
Da sich InfluenzaA-Viren durch Reassortierung und Punktmutationen schnell verändern können, ist es allerdings nicht einfach, die Impfstoffe immer auf dem aktuellen Stand zu halten. Influenzavakzine für den Menschen werden halbjährlich an neue, häufig nachgewiesene Varianten angepasst. Dafür ist nur eine einfache Zulassungserweiterung nötig.
Zwei Impfstoffe verfügbar
Bei Grippeimpfstoffen für Schweine geht das nicht. Hier müssen die Impfstoffe nach jeder Veränderung ganz neu zugelassen werden. Das ist jedoch teuer und zeitaufwendig. Zum Glück ist die Mutationsfreudigkeit beim Schwein aber auch nicht so ausgeprägt wie beim Menschen, sodass keine laufende Anpassung der Impfstoffe erforderlich ist. Zumal neuere Studien zeigen, dass die vorhandenen Impfstoffe auch gegen impfstammferne Virustypen gut wirken.
Derzeit gibt es zwei zugelassene InfluenzaA-Impfstoffe für Schweine: einen gegen die klassischen Impfstämme H1N1, H1N2 und H3N2 und einen gegen den pandemischen Virustyp H1pdmN1.
In Deutschland werden derzeit etwa 50% aller Sauen geimpft. Der passive, über die Biestmilch vermittelte Schutz hält etwa bis zur 5. Lebenswoche der Ferkel an. Er bewahrt die Tiere vor der Erkrankung, schützt sie jedoch nicht vor einer Infektion. Früh infizierte Ferkel, z.B. am Gesäuge der Mutter, können daher den Erreger ausscheiden und an andere empfängliche Schweine im Betrieb weitergeben.
Auf diese Weise kann es zu einem ständigen Zirkulieren des Erregers im Bestand kommen. Und es können innerhalb eines Bestandes gleichzeitig mehrere Virustypen auftreten.
Infektketten unterbrechen
Um die Infektionsketten zu unterbrechen ist neben konsequent durchgeführten Impfungen daher auch ein gutes Management der für das Virus empfänglichen Tiergruppen wichtig. Dazu gehören z.B. Saugferkel, Absetzer und Jungsauen.
Entscheidend ist eine konsequente Trennung der Altersgruppen – auch bei der Luftführung. Die Treibe- und Luftwege sollten sich nicht kreuzen. Abteile und Treibgänge müssen nach Gebrauch zudem sorgfältig gereinigt und desinfiziert werden. Beim Wechsel von einer Altersgruppe zur nächsten sollte man zudem Kleidung und Stiefel wechseln und auf die nötige Handhygiene achten.
Außerdem hat es sich bewährt, in jedem Stall bzw. in jeder Altersgruppe separate Arbeitsmaterialien zu verwenden und benutzte Ferkelbehandlungskörbe nach jedem Wurf zu desinfizieren.
Ammensauen könne den Erreger über ihr Gesäuge an die Ferkel übertragen. Daher ist es ratsam, nicht mehr Ferkel zu versetzen, als unnötig ist. Wichtig zudem: Tierärzte, Schweinehalter und Stallpersonal sollten sich jährlich gegen Grippe impfen lassen. So mindern sie das Risiko, den Erreger auf die Schweine zu übertragen, wenn sie selbst an Grippe erkranken.
Ihr Kontakt zur Redaktion:henning.lehnert@susonline.de
Prof. Dr. Timm Harder, Friedrich-Loeffler-Institut, und Dr. Kathrin Lillie-Jaschniski, Ceva Tiergesundheit