Beim nächsten Jahreswechsel stellen sich mehr Landwirte als bisher die Frage, ob für ihren Betrieb die Pauschalierung oder doch die Regelbesteuerung die bessere Wahl ist. Schließlich sinkt der Pauschalierungssatz zum 1. Januar 2023 auf 9%. Der Auslöser für die Reduktion: Die EU-Kommission ist der Meinung, dass die deutschen Bauern in der Vergangenheit zu stark von der Pauschalierung profitiert haben.
Um den Streit mit der EU zu beheben, hat die Bundesregierung bei den Regeln zur Pauschalierung daher einige Punkte geändert:
- Seit 2021 ist der Pauschalierungssatz kräftig gesunken: Im letzten Jahr galt ein Steuersatz von 10,7 %, bis Ende 2022 sind es 9,5 % und ab dem 1.1.2023 dürfen Landwirte nur noch 9 % geltend machen.
- Neu ist auch, dass die Bundesregierung den Pauschalierungssatz nun jährlich überprüfen muss. Die Berechnungen übernehmen das Bundesfinanzministerium und das Bundeslandwirtschaftsministerium. Passt der Steuersatz nicht, reduziert die Regierung den Pauschalierungssatz weiter oder erhöht ihn wieder.
- Die Pauschalierung können seit der Neuregelung zu Beginn des Jahres 2022 zudem nur noch Unternehmer wählen, die einen Gesamtjahresnettoumsatz von 600.000 € nicht überschreiten. Es gilt das Kalenderjahr, nicht das Wirtschaftsjahr.
Steuervorteil nutzen
Zum Hintergrund: Um Landwirten bei der Umsatzsteuer Bürokratie zu ersparen, dürfen sie in der EU wählen, ob sie die Umsatzsteuer pauschalieren oder zur Regelbesteuerung optieren. Stellt ein pauschalierender Landwirt eine Lieferung in Rechnung, kann er die Umsatzsteuer pauschal mit 9,5% festlegen (ab dem 1.1.23 sind es 9%). In gleicher Höhe rechnet der Fiskus die pauschal anzuerkennende Vorsteuer bei Einkäufen von Betriebsmitteln an, z.B. für Futter. In der Summe entsteht so keine Zahllast gegenüber dem Finanzamt – die Steuerlast für Staat und Landwirt ist ausgeglichen.
Landwirte, die der Regelbesteuerung unterliegen, müssen hingegen zwar die Umsatzsteuer von 7 bzw. 19% aus ihren Verkäufen an das Finanzamt abführen. Dafür erstattet der Fiskus ihnen aber die Umsatzsteuer, die sie für Einkäufe ausgegeben haben. Das ist insbesondere bei größeren Investitionen von Vorteil. Ob sich für Betriebe eher die Pauschalierung oder die Regelbesteuerung lohnt, hängt daher vorwiegend von getätigten oder geplanten Investitionen ab.
Investieren und optieren
Landwirte, die in den vergangenen zehn Jahren in Ställe oder fünf Jahren in teure Maschinen investiert haben oder solche Investitionen planen, sollten die Regelbesteuerung wählen. Denn nur in diesem Fall können sie den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen und so Geld sparen. Das gilt auch für getätigte Investitionen in der Vergangenheit. Hierbei rechnet das Finanzamt mit sogenannten Korrekturzeiträumen: Für Maschinen sind das fünf, für Gebäude, inklusive installierten Betriebsvorrichtungen, zehn Jahre. D.h. wechselt ein pauschalierender Landwirt in die Regelbesteuerung und hat z.B. vor acht Jahren einen neuen Stall gebaut, kann er sich heute noch anteilig die Vorsteuer hieraus zurückzahlen lassen.
Durch die Reduktion des Pauschalierungssatzes zum 1. Januar 2023 auf 9 % sinkt vor allem für Tierhalter der bisherige Pauschalierungsvorteil. Für einige Betriebe kann sich daher ein Wechsel in die Regelbesteuerung lohnen. Beispielrechnungen der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen anhand des Preisniveaus im Oktober 2022 zeigen den Unterschied zwischen dem noch bis Ende 2022 geltenden Pauschalierungssatz von 9,5% und ab dem 1.1.2023 geltenden Satz von 9% (siehe Übersicht).
Deutlich wird bei einem Vergleich der Direktkostenfreie Leistung je Tier bzw. Platz von optierenden und pauschalierenden Landwirten, dass sowohl Mäster als auch Sauenhalter profitieren, wenn sie die Pauschalierung wählen. Der Vorteil sinkt allerdings durch die Reduzierung des Pauschalierungssatzes deutlich ab: für Mäster von 15 auf 12 €/Platz bzw. von 5 auf 4 € pro Tier und für Ferkelerzeuger von 41 auf 31 € pro Sau und Jahr.
Gebäudekosten entscheidend
Landwirte, die in den vergangenen fünf Jahren nicht in Maschinen investiert bzw. in den letzten zehn Jahren keinen neuen Stall gebaut haben und auch im kommenden Steuerjahr keine solche Investitionen planen, profitieren also nach wie vor noch von der Pauschalierung – auch 2023. Beziehen Landwirte in die Rechnung hingegen die Gebäudekosten mit ein, ergibt sich ein anderes Bild: Da optiererende Landwirte die Vorsteuer der Investitionen geltend machen können, sind die Gebäudekosten geringer. Um die Jahreskosten pro Platz zu berechnen, werden die Platzkosten aufgrund des Vorsteuerkorrekturzeitraumes auf zehn Jahre verteilt. Die Berechnung zeigt:
- Sauenhalter sind im Vorteil, wenn sie die Regelbesteuerung wählen.
- Mäster profitierten bei einem Pauschalierungssatz von 9,5 % zwar noch mit 3 € pro Platz. Sinkt der Steuersatz allerdings auf 9%, ist der Pauschalierungsvorteil dahin und fällt auf Null. Reduziert die Bundesregierung den Satz künftig bei gleichbleibenden Erlösen und Kosten weiter, wäre auch für Mäster ein Wechsel in die Regelbesteuerung ratsam.
Hinweis: Es handelt sich um eine Beispielrechnung, anhand des Preisniveaus aus Oktober 2022. Verändern sich die Höhe der Marktleistung, also Ferkelerlös und Schlachttiererlös, sowie das Preisniveau der Direktkosten, ändern sich entsprechend die Höhe der Direktkostenfreien Leistung und der mögliche Pauschalierungsvorteil.
Würden in die Kalkulation nun zusätzlich noch Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens einbezogen, wie beispielsweise Maschinen, müsste die Wahl eindeutig auf die Regelbesteuerung fallen. Auch Betriebe mit einem hohen Anteil an Fremd-/Lohnarbeiten profitieren in der Regel eher von der Regelbesteuerung.
Richtig wechseln
Pauschalierende Landwirte können noch bis zu zehn Tage nach Ablauf eines Kalenderjahrs beim Finanzamt bekannt geben, dass sie ab diesem Jahr zur Regelbesteuerung wechseln wollen. Das Umsatzsteuergesetz schreibt zwar keine bestimmte Form für die Bekanntgabe des Wechsels vor. Steuerexperten raten Landwirten aber, die sogenannte Optionserklärung schriftlich beim Finanzamt einzureichen.
Wechselt ein Landwirt freiwillig von der Pauschalierung in die Regelbesteuerung, ist er für fünf Jahre an die neue Besteuerung gebunden. Übersteigt der Gesamtumsatz eines pauschalierenden Landwirtes im Vorjahr die Grenze von 600.000 €, entscheidet er sich also nicht freiwillig für die Regelbesteuerung, ist er zunächst nur ein Kalenderjahr verpflichtet. Hält er im nächsten Jahr die Grenzen wieder ein und möchte pauschalieren, ist dies möglich.
Achtung: Wechselt ein Landwirt in die Regelbesteuerung, sollte er seine Abnehmer informieren und ihnen berichtigte Rechnungen zukommen lassen oder sie auffordern, Gutschriftsanzeigen zu berichtigen. Erfolgt keine Korrektur, schuldet der Landwirt dem Fiskus die überhöht ausgewiesene Mehrwertsteuer. Zudem besteht die Gefahr, dass die Abnehmer die zu viel ausgezahlte Steuer vom Landwirt zurückfordern und er die an das Finanzamt abgeführte zu viel ausgewiesene Steuer nicht rückfordern kann.
Außerdem sollten wechselnde Landwirte beachten, dass die Regelbesteuerung mehr Bürokratie bedeutet als die Pauschalierung: Sie sind zur Umsatzsteuervoranmeldung und Umsatzsteuerjahreserklärung verpflichtet.
Betriebsteilung hinterfragen
Unternehmer, welche die Grenze von 600.000 € knacken, die Pauschalierung aber unbedingt retten wollen, haben nur die Möglichkeit, ihren Betrieb zu teilen. Sie sollten vorher aber berechnen, ob sich dieser Schritt auch tatsächlich lohnt. Denn eine Betriebsteilung ist zum Teil mit erheblichen Kosten verbunden für:
- den Steuerberater, da dieser bei zwei Betrieben auch zwei Jahresabschlüsse anfertigen muss,
- den Anwalt zur Betriebsteilung und
- Mehrarbeit für doppelte Bürokratie.
Insgesamt können sich die jährlichen Kosten einer Betriebsteilung auf etwa 5000 € belaufen. Zusätzlich fallen einmalige Kosten für die Schaffung von baulichen Voraussetzungen an. Beispielsweise muss jeder Betrieb eine eigene Fütterung aufweisen. Hier stellt der Fiskus hohe Anforderungen an Betriebsteilungen.
Landwirte sollten daher detailliert berechnen, ob die Kosten den Pauschalierungsvorteil nicht auffressen und ein Wechsel zur Regelbesteuerung vielleicht daher der kostengünstigere Weg ist.
Jährlich prüfen
Künftig muss die Regierung den Pauschalierungssatz jedes Jahr überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Eine weitere Absenkung würde für viele Betriebe finanzielle Verluste bedeuten. Jeder Landwirt muss daher unbedingt jährlich individuell kalkulieren, wie ihn die mögliche Anpassung des Pauschalierungssatzes trifft und die Regelbesteuerung gegebenenfalls die kostengünstigere Variante ist.