Threonin, Tryptophan und Methionin unterstützen viele Stoffwechselvorgänge. Ein brasilianischer Versuch zeigte jetzt, dass sie auch bei der Abwehr von Krankheitserregern eine große Rolle spielen.
Bei der Rationsgestaltung wird die Versorgung mit Aminosäuren bzw. deren Verhältnis zueinander oftmals danach bemessen, wie sich der Proteinbedarf der Tiere optimal decken lässt. Weniger Beachtung findet dagegen der Einfluss der verschiedenen Aminosäuren auf den Stoffwechsel bzw. das Immunsystem der Tiere.
Dabei ist gerade dann, wenn das Immunsystem durch Krankheitserreger wie E.coli, Salmonella sp. oder schlechter Betriebshygiene herausgefordert wird, der positive Einfluss der sogenannten funktionellen Aminosäuren auf die Tiergesundheit nicht zu unterschätzen. Unter suboptimalen Gesundheitsbedingungen werden sie verstärkt für Stoffwechselvorgänge genutzt, die an der Immunantwort und nicht an der Proteinsynthese bzw. dem Wachstum beteiligt sind.
Zu den funktionellen Aminosäuren, die immer in einem Verhältnis zu Lysin (Lys) angegeben werden, zählen Threonin (Thr), Methionin (Met) und Tryptophan (Trp). Threonin spielt bei der Immunfunktion eine wichtige Rolle, indem es in die Produktion von Immunglobulinen und Muzinen involviert ist. Methionin wird als Methyldonor für wichtige Prozesse wie DNA-Methylierung und Polyaminsynthese gebraucht. Außerdem ist es ein Vorläufer für Cystein (Cys), das wiederum für die Synthese des Antioxidans Glutathion benötigt wird. Tryptophan ist an der Immunfunktion und der Serotoninproduktion beteiligt.
20% Aminosäuren-Bonus
Werden Aminosäuren auch für Stoffwechselfunktionen gebraucht, steigt folglich deren Bedarf. Aus diesem Grund startete ein Forscherteam in Brasilien eine 28-tägige Immun-Challenge-Studie, in der die positiven Effekte einer Erhöhung des Aminosäuren-Verhältnisses auf die Tiergesundheit unter Krankheitsdruck bzw. mangelnder Betriebshygiene herausgearbeitet werden sollte.
Das Grundgerüst des Versuches bildeten 120 weibliche Mastläufer [Piétrain × (Large White × Landrasse)]. Die Tiere wogen bei der Ankunft in der Schweineforschungseinrichtung der Staatlichen Universität von São Paulo im Durchschnitt 25,4 kg und wurden auf zwei gleich große bzw. baugleiche Großraumabteile aufgeteilt. Anschließend erfolgte in jedem Abteil eine Aufsplittung in zwei Futtergruppen mit unterschiedlicher Aminosäuren-Ausstattung.
Immer auf Basis von Mais, Sojabohnenmehl und kristallinen Aminosäuren wies das Kontrollfutter (K) nach den standardisierten Bedarfswerten des amerikanischen National Research Council (NRC) ein ausgewogenes Aminosäuren-Verhältnis auf. Die Versuchsration (V) enthielt dagegen um 20% höhere ileal verdauliche (SID) Trp:Lys-, Thr:Lys- und Met+Cys:Lys-Verhältnisse (siehe Übersicht 1). Mit dieser Ausstattung dürfte die aufgewertete Ration in etwa den gängigen Futterrationen in deutschen Ställen entsprechen. Im Vergleich zu den Bedarfswerten der Gesellschaft für Ernährungsphysiologie (GfE), die in Deutschland als Gradmesser für die Rationsgestaltung herangezogen werden, fallen die der NRC nämlich niedriger aus.
Für die Umsetzung zwei unterschiedlicher Futterkonzepte in jeder Großgruppe musste die Futtervorlage tierindividuell erfolgen. Deshalb erhielten die Schweine spezielle Radiofrequenz-Ohrmarken. Suchte ein Schwein eine der jeweils vier Futterabrufstationen pro Abteil auf, wurde es identifiziert und erhielt die zugewiesene Ration (K oder V).
Koordinierter Erregerkontakt
Um sicherzugehen, dass bei einem Teil der Tiere das Immunsystem in einem besonderen Maße gefordert wird, führten die Betreuer in einem Abteil bewusst schlechte hygienische Bedingungen herbei. Dafür streuten sie während des Versuches laufend frischen Kot aus einem fremden Schweinebestand in die Bucht. Für eine zusätzliche Immunstimulation wurden die Tiere zudem am Einstalltag mit Salmonella Typhimurium infiziert.
Im anderen Versuchsabteil herrschten dagegen gute hygienische Bedingungen. Hier reinigte man die Festflächen in den Buchten zweimal täglich und bei den Tieren wurde kein koordinierter Erregerkontakt durchgeführt.
Immunparameter erfasst
Um nachvollziehen zu können, wie das Immunsystem der Tiere auf die unterschiedlichen Versorgungs- und Hygienebedingungen reagiert, untersuchten die Wissenschaftler das Blut der Versuchsschweine auf mehrere Biomarker bzw. Serumimmunparameter. Zudem umfasste die Dokumentation eine wöchentliche Einzelwiegung aller Tiere und über die Abrufstationen wurde die tägliche Futteraufnahme festgehalten.
Auch die Rektaltemperatur und den Kot der Tiere kontrollierten bzw. bewerteten die Wissenschaftler in engen Abständen. Dabei umfasste die Skala die Stufen 0 = Normal, 1 = Halbfest, 2 = Halbfest bis wässrig und 3 = Durchfall.
Die Magerfleisch- und Fettmasse der Tiere wurden einen Tag vor Versuchsbeginn bzw. am 28. Tag des Versuches durch eine Dual-Röntgen-Absorptiometrie gemessen. Die Stickstoffausscheidungen für jedes Schwein ermittelten die Forscher, indem sie die Stickstoffretention von der Stickstoffaufnahme abzogen.
Gestärktes Immunsystem
Im Versuchsverlauf zeigte sich früh, dass das Immunsystem der Tiere im hygienisch schlechten Abteil mehr gefordert wurde, als das der Artgenossen im sauberen Abteil. So ließen sich am siebten Tag im Blut dieser Tiere auffällige Konzentrationen der sogenannten Akute-Phase-Proteine Haptoglobin und Albumin feststellen. Diese Proteine treten bei Infektionen oder Entzündungen als Teil der unspezifischen Immunreaktion (Akute-Phase-Reaktion) entweder vermehrt (Haptoglobin) oder vermindert (Albumin) im Blut auf. Sie sind somit Biomarker für eine Beeinträchtigung des Immunstatus.
Anders als im hygienisch gut geführten Abteil kristallisierten sich bei den belasteten Tieren auch Unterschiede zwischen den beiden Futtergruppen mit hoher bzw. normaler Aminosäurenversorgung heraus. So sorgte der höhere Gehalt an Threonin, Tryptophan und Methionin für einen Abfall der Albumin-Konzentration, was auf eine immunstärkende Wirkung schließen ließ.
Gestützt wurde diese Annahme durch den erhöhten Harnstoffspiegel im Blut der belasteten K-Tiere. Aufgrund der Immunherausforderung hatten die Schweine einen höheren Bedarf an funktionellen Aminosäuren, der aber über das Futter nicht gedeckt werden konnte.
In einer solchen Mangelsituation verschlechtert sich die Aminosäurenverwertung drastisch. Mit der Folge, dass die ungenutzten Aminosäuren abgebaut und über die Leber in Harnstoff umgewandelt werden. Aus diesem Grund war auch unter den V-Tieren mit erhöhter Zufuhr von Thr, Met, Trp trotz gleich schlechter Haltungsbedingungen kein auffälliger Harnstoffspiegel zu beobachten gewesen.
Klares Leistungsgefälle
Der Versuch förderte noch weitere interessante Ergebnisse zu Tage. So zeigte sich, dass die Schweine im hygienisch schlecht geführten Abteil eine erhöhte Rektaltemperatur und schlechte Kot-Score-Werte aufwiesen. Phasenweise litten die Tiere sogar unter Durchfall (siehe Übersicht 2).
Das war besonders am fünften Versuchstag zu beobachten und betraf gleichermaßen die V- als auch die K-Tiere. Am 14. Tag wurde der Kot der Tiere mit Standard-Aminosäuren-Versorgung wieder als zu flüssig eingestuft, während man den Kot der Schweine mit Bonusversorgung noch als relativ fest bonitierte.
Ähnlich verhielt es sich mit den biologischen Leistungen (siehe Übersicht 3). Im Versuch erreichten die belasteten Schweine mit Standardfutter im Vergleich zu ihren Buchtengenossen mit besserem Futter geringere Tageszunahmen (600 g vs. 700 g) und eine schlechtere Futterverwertung (1:2,1 vs. 1:1,9). Im sauberen Abteil brachte das Plus an Aminosäuren nur leicht verbesserte Leistungen. Die Kontroll- und Versuchstiere erreichten beinahe identische Tageszunahmen und in puncto Futterverwertung setzten sich die V-Tiere nur marginal ab.
Aussagekräftigere Ergebnisse konnte man hingegen bei der Stickstoffbilanzierung verzeichnen. Unter standardisierten Aminosäuren-Verhältnissen zeigten die belasteten Schweine gegenüber den Tieren im sauberen Abteil eine merklich reduzierte N-Effizienz bzw. Retentionsrate (55% vs. 60%). Mit erhöhter Aminosäuren-Versorgung konnten die Tiere im unhygienischen Abteil ebenfalls eine gute N-Retention von 59% vorweisen.
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