Deutschland setzt mit der Kastration unter Narkose EU-weit den höchsten Standard. Viele Länder in Nordwesteuropa haben praktikablere Methoden etabliert.
Fred Schnippe, SUS
Die betäubungslose Kastration ist ab Januar 2021 in Deutschland endgültig verboten. Dennoch werden viele Betriebe weiter kastrieren müssen, um marktkonforme Produkte anbieten zu können.
Zwischenzeitlich galten die Ebermast und die Impfung gegen Ebergeruch als gute Alternativen. Doch die anhaltenden Probleme bei der Ferkel- und Schweinevermarktung wirken als Hemmschuh beim Kastrationsverzicht. Wer jetzt noch keinen Abnahmevertrag für Eber oder Immunokastraten hat, tut sich offenbar schwer, neu in das Segment kommen.
viele Kastrieren weiter
Vermutlich werden zu Beginn des nächsten Jahres weiter rund 85% der männlichen Ferkel in Deutschland kastriert. Der Rest entfällt überwiegend auf die Ebermast. Die Impfung gegen Ebergeruch hat nur geringe Anteile.
Die chirurgische Kastration ist künftig nur noch mit der Inhalationsnarkose mit Isofluran oder mittels Injektionsnarkose durch den Tierarzt erlaubt. Deutschland schreibt damit in Sachen Kastration EU-weit den höchsten Tierschutzstandard vor (siehe Karte).
Selbst die in puncto Tierschutz fortschrittlichen Skandinavier haben mit ihren Ferkelerzeugern weniger scharfe bzw. praktikablere Lösungen zur Kastration vereinbart. So ermöglichen Norwegen, Schweden und Dänemark ihren Erzeugern die Kastration unter lokaler Betäubung. Wobei die dänischen und schwedischen Landwirte die Lokalbetäubung sogar selbst durchführen dürfen.
In der EU schreiben neben der Bundesrepublik nur die Niederlande die Narkose zur Ferkelkastration vor. Allerdings ist die in Holland zugelassene CO2-Narkose aus Tierschutzsicht sehr umstritten. Unklar ist zudem, wie strikt die Narkose zur Kastration in unserem westlichen Nachbarland umgesetzt bzw. kontrolliert wird. Abgesehen davon hat die Ebermast in den Niederlanden mit einem Anteil von etwa 60% der männlichen Ferkel einen hohen Stellenwert.
Die im Vergleich zu Deutschland niedrigeren Kastrations-Standards der Dänen und Holländer haben zu heftigen Diskussionen geführt. So fordern deutsche Schweinehalter zu Recht, dass auch die rund 11 Mio. Importferkel die hiesigen Kastrationsvorgaben erfüllen müssen. Hierzu hat die QS GmbH im September einen Beschluss gefasst, der im Laufe des nächsten Jahres für importierte Ferkel greifen soll.
Hohe Vorgaben zum Tierschutz bei der Kastration hat auch die Schweiz. Sie gehört aber nicht zur EU. Seit 2010 ist in dem Land die betäubungslose Kastration verboten. Landwirte dürfen die Narkose mit Isofluran selbst anwenden und müssen vorab Schmerzmittel verabreichen.
Im Gegensatz zu uns können die Schweizer die Mehrkosten der Narkose relativ gut schultern. Denn ein Außenschutz begrenzt günstige Fleisch- bzw. Lebendeinfuhren. Zudem erhalten die Schweizer Landwirte umfangreiche Subventionen.
Eingriff mit Schmerzmittel
Auch unsere Nachbarländer Frankreich, Belgien und Österreich haben kaum Wettbewerbsnachteile durch die Kastration zu befürchten. Denn bei ihnen ist die Kastration allein mit Schmerzmittel weiter erlaubt. In Frankreich haben große Kooperativen angekündigt, mittelfristig auf die betäubungslose Kastration verzichten zu wollen. Einen festen Zeitplan gibt es aber nicht. Die Ebermast spielt bei den Franzosen mit etwa 10% Anteil derzeit eine untergeordnete Rolle.
In Belgien werden etwa 40% der männlichen Ferkel nicht mehr kastriert. Das Segement teilt sich etwa gleichmäßig auf die Ebermast und die Eberimpfung auf. Letztere war jüngst wieder etwas rückläufig, weil LEH-Ketten bzw. die zuliefernden Kooperativen von Akzeptanzproblemen berichteten.
Ebermast in England
Anders ist die Lage in Großbritannien. Dort ist die Ebermast traditionell stark verbereitet und erreicht fast 100% Marktanteil. Um Ebergeruch zu vermeiden, kommen die Tiere mit rund 100 kg Lebendgewicht sehr früh an den Haken.
In Spanien und Portugal hat die Ebermast mit rund 80% Markanteil ebenfalls einen hohen Stellenwert. Diese Tiere werden früh geschlachtet. Alle übrigen Ferkel werden auf der Iberischen Halbinsel kastriert, um die für die Serranoschinken notwendigen hohen Schlachtgewichte zu ermöglichen. Bei der Kastration setzen die Südeuropäer in der Regel keine Schmerzmittel ein.
In Westeuropa ist Italien das Schlusslicht beim Tierschutz zur Kastration. Der Großteil der Tiere wird dort ohne Schmerzmittel kastriert. Nur wenige italienische Ferkelerzeuger setzen auf höhere Tierschutzstandards.
Äußerst geringe bzw. keine Vorgaben zur Kastration gibt es in den osteuropäischen Staaten, dem Baltikum sowie Russland. Dort überwiegt die Kastration ohne Schmerzmittel. In Rumänien, der Ukraine und Russland arbeiten einige wenige Betriebe mit der Immunkastration.