Die BLE hat die Versorgungsbilanz für Fleisch rückwirkend korrigiert. Das heizt die Debatte um den Selbstversorgungsgrad beim Schweinefleisch zusätzlich an.
Der deutsche Selbstversorgungsgrad für Schweinefleisch sorgt immer wieder für heftige Diskussionen. Für Kritiker ist der rechnerische Bilanzwert von deutlich über 100% ein gefundenes Fressen. Sie fordern den weiteren Abbau der Schweinebestände und eine geringere Abhängigkeit von Fleischexporten.
BLE weist neue Zahlen aus
Rückenwind könnten die Kritiker jetzt durch die Neuberechnung der Versorgungsbilanzen bekommen, welche die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) kürzlich veröffentlicht hat. Für die Jahre 2010 bis 2022 errechnete die Bundesanstalt rückwirkend neue Bilanzwerte.
Demnach wird der Selbstversorgungsgrad mit Schweinefleisch für die betreffenden Jahre um 12 bis 21 Prozentpunkte höher ausgewiesen als nach der alten Berechnungsmethode (siehe Übersicht 1). Für das Jahr 2022 weist die BLE nun einen Selbstversorgungsgrad von 142,4% statt der bisherigen 125,8% aus.
Zu erheblichen Verschiebungen führen die Neuberechnungen auch bei den Statistiken zum Fleischkonsum. Beim jährlichen Pro-Kopf-Verzehr von Schweinefleisch fallen die Werte für die Jahre 2010 bis 2022 nun 0,8 bis 2,1 kg niedriger aus als bisher bekannt (siehe Übersicht 2).
Für 2022 wird nun ein Pro-Kopf-Verzehr von 28,2 kg angegeben. Nach der alten Berechnung waren es 29,0 kg pro Kopf. Für andere Fleischarten wie Geflügel, Rind etc. hat die Bundesanstalt die Bilanzen ebenfalls neu berechnet. Allerdings sind die Abweichungen dort nicht ganz so groß wie beim Schweinefleisch.
Schwächen in Fleischbilanz
Grund für die Neuberechnung sind Unstimmigkeiten in der Fleischbilanz, die ein Projekt des Thünen-Instituts in Braunschweig aufdeckte. Demnach wurde nämlich eine beträchtliche Menge Schweinefleisch in der Außenhandelsstatistik fälschlicherweise in der Kategorie Schlachtnebenerzeugnisse und Innereien erfasst. In der Schlachtstatistik werden diese Mengen jedoch als Fleisch am Schlachtkörper gezählt.
Das hatte zur Folge, dass der Export von Schlachtnebenerzeugnissen und Innereien in den alten Berechnungen zu hoch und der Export von Schweinefleisch in den Versorgungsbilanzen zu niedrig ausgewiesen wurde. Da die Berechnungen des Verbrauchs, des menschlichen Verzehrs und letztlich auch des Selbstversorgungsgrades u.a. von diesen Außenhandelszahlen abhängen, ergaben sich durch die neuesten Anpassungen teilweise erhebliche Veränderungen.
Wie sich das auf die einzelnen Positionen der Versorgungsbilanz mit Schweinefleisch in Deutschland auswirkt, zeigt Übersicht 3. Es wird deutlich, dass es durch die neue Berechnung insbesondere beim Inlandsverbrauch an Schweinefleisch zu einer erheblichen Verminderung um rechnerisch fast 400.000 t im Jahr 2022 kommt. Dies ist der Hauptgrund für den deutlichen Anstieg des berechneten Selbstversorgungsgrades bei den Fleischprodukten vom Schwein auf mehr als 142% im vorletzten Jahr.
Eingeschränkte Aussage
Allerdings ist die Aussagekraft des Selbstversorgungsgrades im Schweinefleischsegment begrenzt. Denn der Konsum der Deutschen fokussiert sich immer stärker auf die edlen Teilstücke wie Schinken, Kotelett oder Filet. In dieser hochwertigen Produktgruppe kann sich Deutschland nicht mehr durch die heimische Erzeugung selbst versorgen. Im Gegenteil: Wir sind im großen Stil auf Importe aus dem Ausland angewiesen. Beim beliebtesten Edelteil, dem Filet, muss Deutschland bereits rund 25% der verbrauchten Mengen einführen.
Von einer Überversorgung mit Schweinefleisch in Deutschland kann in diesen wichtigen Produktgruppen daher keine Rede sein. Mehr noch: Bei den beliebten Edelteilen vom Schwein rechnen Marktexperten damit, dass die Abhängigkeit von Importen aus dem Ausland noch weiter zunimmt.
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Klaus Kessing, ISN