Schweizer Landwirte müssen seit vielen Jahren auf den Ferkelschutzkorb verzichten. Was unsere Betriebe davon mitnehmen können, hat ein Expertenteam vor Ort zusammengetragen.
Im Rahmen des vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geförderten Projektes ZISSAU Phase 2 – Zukunftsfähige und innovative Stallbaukonzepte für Sauen und Aufzuchtferkel – werden neue Haltungskonzepte für Sauen und Aufzuchtferkel entwickelt. Ziel ist, diese in den Ställen des Versuchs- und Bildungszentrums Haus Düsse umzusetzen. Hierzu wurde in einer ersten Projektphase ein Expertennetzwerk mit Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft, Verbänden sowie der landwirtschaftlichen Praxis gegründet, um die Anforderungen an die zukünftigen Haltungsbedingungen zu definieren. Diese werden in der zweiten Projektphase in die konkreten Planungen der Umbaumaßnahmen aufgenommen und weiterentwickelt.
Reise als Ideengeber
Im Zuge der Bauplanungen kam die Frage auf, wie eine optimale Bewegungs- bzw. Freilauf-Abferkelbucht aussieht. Da dies anhand der vorhandenen Literatur nicht gänzlich geklärt werden konnte, wurden verschiedene Systeme im Praxiseinsatz bewertet. Hierzu unternahm ein Expertenteam eine Studienreise in die Schweiz. Denn dort müssen Landwirte bereits seit 1997 in Neubauten und seit 2007 in Umbauten auf den Ferkelschutzkorb verzichten und haben somit langjährige Erfahrungen.
Zur umfassenden Aufnahme und Bewertung der Haltungssysteme haben Prof. Martin Ziron von der Fachhochschule Südwestfalen und Dr. Heiko Janssen von der LWK Niedersachsen die Studienreise begleitet. Ziel der Reise war es, die Eindrücke und praktischen Erfahrungen mit den Abferkelbuchten zu sammeln und in optimale Buchtenvarianten für die zukünftigen Abferkelställe einfließen zu lassen. Insgesamt hat die Expertengruppe sieben landwirtschaftliche Betriebe und drei in der Schweiz führende Stallbaufirmen besichtigt.
Ruhige Sauen als Basis
Den Auftakt der Reise bildete das Schweizer Genetik- und Gesundheitsunternehmen Suisag. Die Schweizer Genetik hat sich in den letzten 20 Jahren immer wieder an die Ansprüche der Gesellschaft in puncto Tierschutz und Tierhaltung angleichen müssen. Die Zucht hat sich daher auf ruhige und gruppentaugliche Sauen fokussiert, die auch in Systemen mit Freilauf gut klarkommen.
Bei den Betriebsbesuchen konnte sich das Expertenteam davon überzeugen: Die Sauen waren sehr ruhig und die Ferkel vital und gleichmäßig. Auffallend war auch, dass beim Betreten der Buchten die Sauen stets Abstand zum Menschen einhielten und diese nicht bedrängten. Gleichzeitig kommt der Anzahl der abgesetzten Ferkel sowie den Geburtsgewichten in der züchterischen Arbeit eine hohe Bedeutung zu. Zuchtziel für 2024 sind durchschnittlich 14 lebend geborene Ferkel.
Optimale Buchtenstruktur
Alle besuchten Betriebe setzten beim Bau ihrer Ställe direkt auf die freie Abferkelung. Die Betriebsleiter haben somit nur die Möglichkeit, die Sauen mit Treibbrettern oder schwenkbaren Gittern kurzzeitig festzusetzen. Die gesetzlich vorgegebene Größe der Buchten ist 5,5 m2, wobei die besuchten Praktiker deutlich größere Buchten mit 6,5 m2 bis 9,5 m2 verbaut hatten. Die Empfehlung großer Schweizer Stallbaufirmen für die optimale Größe liegt zwischen 7,5 m2 und 8,5 m2. Dabei ist das Verhältnis von Breite zu Tiefe entscheidend. Die Breite der Bucht sollte zwischen 2,20 m und 2,50 m und die Tiefe zwischen 2,85 m und 3,80 m liegen. Eine ganz wichtige Empfehlung der Schweizer Landwirte ist, dass die Sau nicht quer in der Bucht liegen kann, um möglichst niedrige Erdrückungsverluste zu erzielen. Deshalb gibt es in der Schweiz eine ganz klare Maßgabe: Die breiteste Stelle im Liegebereich und damit der Wendekreis der Bucht sollte bei 1,50 m liegen.
Alle Praktiker sind sich einig, dass sich eine Erhöhung dieses Maßes, zum Beispiel auf 2 m Durchmesser, so wie es in Deutschland proklamiert wird, nachteilig auf die Strukturierung der Bucht auswirken würde. Auch die Erdrückungsverluste würden steigen. Um den Sauen bei der richtigen Positionierung zu helfen und einen Fluchtweg für die Ferkel zu schaffen, sind in den meisten Buchten Abweisbretter oder -bügel verbaut.
Klappbare Edelstahlroste
Je nachdem, ob der Betrieb konventionell oder für ein Label produziert, ist der planbefestigte Liegebereich mit mehr oder weniger Einstreu versehen und weist ein Gefälle von ca. 2% zum Kotbereich auf. Die meisten Landwirte befürworten aufgrund der besseren Wärmeabgabe einen unisolierten Liegebereich für die Sauen. Der Kotbereich ist in den besuchten Betrieben auf einer Breite von 1,20 m mit hochklappbaren Edelstahl-Dreikantrosten ausgestattet. Ein wichtiges Element sind dabei die 4 cm breiten Kotschlitze, die in der Schweiz zur Buchtenfläche hinzuzählen und die Sauberkeit in den Buchten garantieren. Im Güllekeller sind Spülsysteme oder Unterflurschieber eingebaut. Um die Annahme der einzelnen Funktionsbereiche besser steuern zu können und den Liege- vom Kotbereich strikter zu trennen, entschieden sich die Landwirte zum Teil für schräg gestellte Wände. Die Fütterung erfolgt überwiegend bodennah, teilweise mit einem gemeinsamen Trog für Sau und Ferkel. Die Wasserversorgung geschieht über Sau-Ferkel-Tränken als Schalentränken.
Grosszügiges Ferkelnest
Ein weiteres Element in den Abferkelbuchten ist das Ferkelnest, welches wärmegedämmt ist. Die Landwirte empfehlen eine Größe von mindestens 1,50 bis 1,75 m Länge und eine Tiefe von 45 cm bis 75 cm, damit die Ferkel möglichst alle nebeneinander liegen können. Pro Ferkel veranschlagen die Landwirte etwa 13 cm Breite, da die Ferkel in einer Reihe mit dem Rüssel zur Bucht liegen sollen. Das Liegen in zweiter Reihe wollen sie vermeiden. Aufgrund der Größe würden diejenigen, die das Ferkelnest noch seitlich angeordnet hatten, heute auch eine Verortung am Gang bevorzugen. So ist das Handling der Ferkel leichter.
In den Nestern sind elektrische Dunkelstrahler verbaut, die automatisch die Temperatur regeln. Sie sind mit Vorhängen bis zum Boden ausgestattet, wobei das obere Drittel der Vorhänge geschlossen und doppelt ausgeführt ist, damit möglichst viel Wärme im Nest gehalten wird. Ziel ist, dass die Ferkel nach der Geburt schnell den Weg in das Ferkelnest finden. Aus diesem Grund klappen die Landwirte ein bis zwei Lamellen des vorgeheizten Ferkelnestes um den Zeitraum der Geburt hoch. Mit der ausströmenden Wärme wird vor der Geburt zusätzlich das Liegeverhalten der Sau gesteuert. Nach der Geburt sind die Lamellen geschlossen.
Einige Ställe hatten eine freie Lüftung über Traufen. Bei niedrigen Außentemperaturen wird das Abferkelabteil zur Geburt mit Gaskanonen auf 15°C aufgeheizt. Im Sommer sorgt die Dachneigung für die notwendige Thermik und den Luftaustausch. Die anderen Ställe hatten eine Zwangslüftung mit Unterflur-Zuluftführung, wobei dort auch die Ferkelkisten die einzige Wärmequelle darstellten.
Herausfordernder Markt
Abschließend diskutierte die Expertenrunde mit den Landwirten über die speziellen Marktanforderungen in der Schweiz. Auch sie müssen trotz des teilweise abgeschirmten Marktes bzw. reduzierten Wettbewerbs mit anderen EU-Ländern marktgerecht produzieren.
Die Schweizer Gesellschaft fordert sehr hohe Tierschutzstandards, die in verschiedenen Labeln umgesetzt werden. Allerdings entscheiden sich die Konsumenten auch dort vermehrt preisbewusst, sodass der Anteil an Label- und Ökofleisch stagniert bzw. sogar leicht rückläufig ist.
Ihr Kontakt zur Redaktion:jana.schrievers@susonline.de
Dr. Astrid van Asten, Tobias Scholz, Andrea Friggemann, LWK NRW