Viele Forscher beschäftigen sich mit dem Postpartalen Dysgalaktie-Syndrom (PPDS), zu dem auch MMA zählt. Wir stellen die wichtigsten Erkenntnisse aus Dänemark vor.
Inger Morthorst Møller, Tierärztin bei Ø-vet A/S (Dänemark)
Bislang verwendet man MMA (Mastitis, Metritis und Agalaktie) als Sammelbegriff für Krankheiten, die rund um das Abferkeln auftreten. Mehrjährige Forschungen haben jedoch deutlich gezeigt, dass die Herausforderungen, die für die Sau im Übergang von der Trächtigkeit zur Laktation auftreten, komplexer sind. Dazu passt besser der Begriff PPDS (Postpartales Dysgalaktie-Syndrom). MMA ist nur ein Teil dieses Syndroms.
Unabhängig von den Definitionen geht es für den Praktiker darum, Krankheiten rund ums Abferkeln möglichst zu verhindern. Oder falls eine Vorbeuge nicht gelingt, kranke Sauen schnell ausfindig zu machen und zügig zu behandeln. Denn bei kranken Sauen sinken die Überlebenschancen der Ferkel und die Arbeitsbelastung steigt.
Schon seit Langem kennt man mehrere begünstigende Faktoren, die das Risiko für PPDS erhöhen. Dazu zählen die Futterzusammensetzung, die Wasserversorgung, Stress, die Haltungsbedingungen sowie der allgemeine Gesundheitszustand der Sauen.
Wenn die Sau von der Trächtigkeit in die Laktation kommt, verändern sich der Hormonhaushalt und der Stoffwechsel. Studien an der dänischen Universität Aarhus haben gezeigt, dass die Entzündungsmarker im Blut vor dem Abferkeln ansteigen.
Ebenso hat man festgestellt, dass Chromagranin A (CgA) und Cortisol im Speichel 36 bis 60 Stunden vor dem Abferkeln zunehmen. CgA ist ein Marker für oxidativen Stress bei Ratten sowie für Entzündungen und Blutvergiftung beim Menschen. Diese Ergebnisse deuten also darauf hin, dass das PPDS-Syndrom bereits vor dem Abferkeln beginnt und das Abferkeln selbst nicht der auslösende Faktor dafür ist.
Es gibt folglich bestimmte serologische Indikatoren, ob eine Sau PPDS entwickelt. Die Analyse der Blutproben im Labor dauert allerdings lang. Fest steht aber: Eine beginnende PPDS lässt sich nicht aufhalten. Umso wichtiger ist es also, die Entstehung und Entwicklung von PPDS zu verstehen und daraus Präventivmaßnahmen abzuleiten. Die wichtigsten Tipps finden Sie nachfolgend.
Frühzeitig umstallen
Ein guter Ansatzpunkt für die Praxis ist der Stressabbau. Mehrere Forscher fanden heraus, dass sich Stress rund um das Abferkeln negativ auf die Abferkelung auswirkt, die Geburt verlängert sowie das Risiko für Totgeburten und eine anschließende Entwicklung von PPDS steigt. Auch ein spätes Umstallen in die Abferkelbucht erhöht das PPDS-Risiko, wahrscheinlich weil die Sau bereits einige Tage vor Beginn des Abferkelns Nestbauverhalten zeigt. Daher sollte man die Sauen frühestens sieben Tage bis spätestens drei Tage vor dem Geburtstermin in die Abferkelbucht umstallen.
Besonders für junge Sauen ist es wichtig, dass sie unter ruhigen Bedingungen in die Abferkelbucht gebracht werden und die Möglichkeit haben, ein Nest mit Stroh oder einem frischen Jutesack zu bauen. Das Nestbauverhalten ist ein sehr ausgeprägtes Verhalten und die Sau versucht auch ohne Nistmaterial ein Nest zu bauen. Ein Nest ohne Material zu bauen, ist jedoch stressig und die Sau beschäftigt sich viele Stunden damit. Das geht zu Lasten der Geburt, weil sich die Sau unzureichend darauf vorbereitet.
Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass Stress die Produktion von Prolaktin und Relaxin reduziert, die wichtige Hormone für die Gesäugeentwicklung und damit die Kolostrumproduktion sind.
Trockene Buchten
Die richtige Vorbereitung der Abferkelbucht vor dem Einstallen der hoch tragenden Sau trägt dazu bei, den Infektionsdruck zu verringern. Mit Reinigen und Desinfizieren allein ist es aber nicht getan. Das Trocknen und der Leerstand sind ebenfalls wichtig, um die Entwicklung einer Mastitis (Gesäugeentzündung) zu verhindern.
In einigen Betrieben ist der Zeitplan allerdings so eng gesteckt, dass die Sauen die Abteile betreten, bevor sie ausreichend trocken sind. Wenige dänische Betriebe, die die Trocknungszeit nicht einhalten können und überhaupt keine Probleme mit Ferkeldurchfall haben, waschen deshalb die Liegebereiche der Sauen nicht, sondern reinigen sie trocken und bestreuen sie mit Desinfektionspulver.
Rohfaser und Wasser
Neben der Haltung und dem Management spielt auch das Futter eine entscheidende Rolle, um PPDS vorzubeugen. Das Ziel ist, das Futter so zusammenzusetzen, dass keine Verstopfung entsteht. Denn eine Verstopfung um das Abferkeln herum verlängert die Darmpassagezeit, und das Risiko der Vermehrung von Bakterien steigt.
Im schlimmsten Fall kann das zum Tod der Sau führen, in geringerem Ausmaß aber auch Entzündungsreaktionen verursachen, wodurch hormonelle und metabolische Prozesse in der Sau blockiert werden. Verstopfungen im Darm führen außerdem zu einer Verengung des Geburtskanals und damit zu einer verlängerten Abferkelzeit.
Immer häufiger ersetzen dänische Sauenhalter deshalb das eiweißreiche Laktationsfutter ab dem Einstallen in die Abferkelbucht bis zwei Tage nach der Geburt durch ein Übergangsfutter oder sie verschneiden es mit einem Rohfaser-reichen Ergänzer. Eingesetzt werden z.B. Rübenpellets und/oder gequetschte Gerste.
Die Fasern binden Wasser im Darm, daher ist eine ausreichende Wasserversorgung wichtig. Der optimale Wasserdurchfluss in der Abferkelbucht liegt bei 6 bis 8 l/min. Das mag sehr hoch erscheinen, ist aber für eine ausreichende Milchbildung unerlässlich. Nur so steht der Sau neben der Deckung ihres physiologischen Bedarfs auch Wasser für eine große Milchproduktion zur Verfügung.
Sauen ferkeln oft dann ab, wenn die Umgebung ruhig ist, d.h. wenn das Personal gegangen ist und nicht gefüttert wird. Folglich haben abferkelnde Sauen mitunter acht bis zehn Stunden nichts gefressen.
Das kann insbesondere bei langen Geburten zum Problem werden. So hat man in einer kürzlich veröffentlichten Studie festgestellt, dass der Blutzuckerspiegel von Sauen mit langer Geburt niedriger ist als der von Sauen mit kurzer Geburt. Da Glukose für die Kontraktion der Gebärmutter wichtig ist, sollten die Sauen nicht zu lange nüchtern sein und auch kein stärkehaltiges Futter bekommen. Denn eine stärkehaltige Mahlzeit sorgt für einen schnellen Anstieg und Abfall des Blutzuckerspiegels, während eine Rohfaser-reiche Ernährung eine konstante Energiezufuhr aus dem Darm gewährleistet.
Weder zu dünn noch zu dick
Einer der bekannten begünstigenden Faktoren für PPDS ist der Konditionszustand der Sau vor dem Abferkeln. Eine niederländische Studie hat gezeigt, dass zu dünne Sauen während des Abferkelns schnell in ein Energiedefizit geraten. Das führt zu Geburtskomplikationen und/oder Geburtsstillstand mit einer erhöhten Anzahl von Totgeburten und einer verlängerten Geburtsdauer.
Doch auch zu fette Sauen haben im Abferkelstall Probleme. In einer Schweizer Studie wurde kürzlich festgestellt, dass die Rückbildung der Gebärmutter bei zu fetten Sauen länger dauert als bei dünneren Sauen, was das Risiko von Infektionen erhöht.
Das regelmäßige Messen der Rückenspeckdicke hilft daher, die Kondition der Sauen im Blick zu behalten und gegebenenfalls bei der Fütterung nachzujustieren. Zum Abferkeltermin sollten die Sauen eine Rückenspeckdicke von 14 bis 17 mm haben.
Nicht immer ist es Fieber
Die Wohlfühltemperatur einer Sau liegt bei 15 bis 16°C. Im Abferkelstall muss man jedoch einen Kompromiss zwischen dem Temperaturbedarf der Sau und dem der Ferkel finden. Die empfohlene Temperatur liegt entsprechend bei 21 bis 22°C, was für die Sau eigentlich zu warm ist. Es gilt: Je heißer es ist, desto anstrengender ist der „Marathon“ Abferkelung für die Sau.
In der Sommerhitze ist es daher notwendig, alternative Maßnahmen zu ergreifen, um die Sauen vor Hitzestress zu schützen, beispielsweise durch eine Kühlung der Zuluft. Auch das Befeuchten der Abteilgänge kann hilfreich sein. Dadurch wird der Luft die Wärme entzogen.
Nach dem Abferkeln steigt die Temperatur der Sau ganz natürlich an, als Teil des physiologischen Prozesses. Man sollte also vorsichtig mit der Annahme sein, dass eine Sau Fieber hat, nur weil ihre Temperatur über 39°C liegt. Ratsamer ist es, verschiedene Parameter zu betrachten, die den Gesundheitszustand der Sau beschreiben können. Achten Sie neben der Temperatur auf den Appetit der Sau, die Bereitschaft, aufzustehen und Milch zu geben, die Gesäugespannung oder rötlich-bräunlichen und übelriechenden Ausfluss.
Weniger Probleme im Freilauf?
In der Forschung gibt es bislang keine Hinweise darauf, dass Sauen in Laufställen oder in Freilandhaltung seltener an PPDS erkranken. Praktische Erfahrungen aus dänischen Biobetrieben, in denen Sauen im Freien abferkeln, zeigen allerdings, dass die Sauen nach dem Abferkeln nur selten behandelt werden müssen. Ob dies auf die niedrigeren Umgebungstemperaturen, den leichteren Zugang zu ballaststoffreichem Futter oder den Zustand der Sauen zurückzuführen ist, ist nicht bekannt.