Schweinemäster wollen gesundheitlich stabile Ferkel, die gegen die wichtigsten Krankheitserreger geimpft sind. Die Ferkelerzeuger setzen dazu immer häufiger Impfstoffkombinationen ein.
Die Diskussion um Antibiotikaresistenzen und den Einsatz antimikrobieller Wirkstoffe in der Nutztierhaltung reißt nicht ab. Das setzt auch die Schweinemäster unter Druck. Sie wünschen sich von den Ferkelerzeugern deshalb möglichst große, einheitliche Ferkelpartien mit hohem und stabilem Gesundheitsstatus. Dadurch wächst die Bedeutung vorsorglicher Impfungen. Inzwischen werden etwa 80 bis 90% der Ferkel bereits beim Sauenhalter routinemäßig gegen verschiedene Erreger geimpft.
Das Impf-Zeitfenster ist eng
Das Zeitfenster während der drei- bis vierwöchigen Säugezeit ist jedoch eng. Deshalb muss für jeden Betrieb je nach Erregerlage ein individuelles Impfkonzept gestrickt werden. Aus arbeitswirtschaftlichen Gründen und um die Ferkel nicht zu oft mit der Nadel „piesacken“ zu müssen, kommen dabei immer häufiger Kombiimpfstoffe zum Einsatz oder Impfstoffe, die sich wie bei einem Baukastensystem je nach Erregerlage kombinieren lassen und vor Ort frisch angemischt werden.
Das Angebot zugelassener Ferkelimpfstoffe ist groß, wie die Übersicht auf der rechten Seite verdeutlicht. Die Auswahl bei den Impfstoffkombinationen ist momentan zwar noch überschaubar, wird von den Herstellern aber stetig erweitert. Nachfolgend ein Überblick, welche Erreger in der Ferkelerzeugung wichtig sind und welche Impfstoffe angeboten werden.
Impfung gegen Mykoplasmen
Die Mykoplasmenimpfung gegen den Erreger Mesomykoplasma hyopneumoniae (früher Mycoplasma hyopneumoniae) ist bei der Ferkelvermarktung inzwischen Standard. Sie verhindert das Auftreten der Enzootischen Pneumonie, die insbesondere die Spitzenlappen der Ferkellungen in Mitleidenschaft ziehen kann. Ein Verzicht auf die Impfung ist nur in geschlossenen Systemen oder bei M.hyo.-negativen Herden in Einzellage möglich.
Zum Einsatz kommen sowohl One als auch Two Shot-Impfstoffe. Einmalimpfstoffe stressen die Ferkel weniger, da nur eine Behandlung erforderlich ist. Allerdings kommt es darauf an, die einmalige Impfchance optimal zu nutzen. Wichtig ist zudem der Impfzeitpunkt. Während die Zweifachimpfung üblicherweise in der ersten und letzten Säugewoche durchgeführt wird, werden One Shot-Präparate je nach Anbieter in der ersten oder ab der dritten Säugewoche angewendet.
Immer häufiger wird die Mykoplasmen- mit der Circoimpfung kombiniert. Dazu bieten MSD, Zoetis und Hipra fertig vorgemischte Impfstoffe sowie Boehringer und MSD Baukastensysteme an. Hier kann es jedoch zu Konflikten beim Impfzeitpunkt kommen. Die in der Übersicht angegebenen Kombiimpfstoffe gegen M. hyopneumoniae und PCV2 sind ab einem Alter von drei Wochen zugelassen.
Soll die Circoimpfung aus betrieblichen Gründen deutlich später erfolgen, kommt man mit der kombinierten Mykoplasmenimpfung eventuell zu spät. Oder andersherum: Ist aus betrieblichen Gründen eine frühe Mykoplasmenimpfung erforderlich, erfolgt eine damit kombinierte PCV2-Impfung in der Regel zu früh. In beiden Fällen sollte man daher besser auf Einzelimpfstoffe zurückgreifen.
PCV2-Impfung ist Standard
Auch die PCV2-Impfung ist bei der Ferkelvermarktung inzwischen Standard. Sie vermindert das Kümmern der Tiere und reduziert die Anfälligkeit für andere Erkrankungen sowie das Entstehen von Hautflecken und Nekrosen (PDNS) im Bereich der Schenkel bei Mastschweinen.
Die Impfung sollte nicht vor der dritten Lebenswoche erfolgen, um eine Beeinflussung der Immunitätsausbildung durch maternale Antikörper zu vermeiden. PCV2-negative Herden gibt es eigentlich nicht mehr. Ob ein Ausstieg aus der Impfung möglich ist, lässt sich in einer geimpften Herde labordiagnostisch nur schwer feststellen. Wer die Impfung einstellen möchte, kann es nur auf einen Versuch ankommen lassen und das Ergebnis abwarten.
Auf mögliche Probleme beim Einhalten des optimalen Impftermins bei der Anwendung kombinierter Mykoplasmen-Circo-Impfstoffe wurde bereits ausführlich hingewiesen.
Ferkel vor PRRS schützen
In viehdichten Regionen werden neben den Sauen häufig auch die Ferkel gegen PRRS geimpft. Viele Vermarkter fordern das inzwischen sogar. Die Impfung verhindert die klinischen Symptome der PRRS in der Aufzucht und in der Mast. Dazu gehören Husten, Kümmern und die Anfälligkeit für andere Infektionen.
Der optimale Impfzeitpunkt ist ab der zweiten Lebenswoche. Auch hier gibt es die Möglichkeit, die PRRS- mit einer Mykoplasmenimpfung zu kombinieren. Boehringer Ingelheim bietet dazu ein Baukastensystem an.
Über den Ein- bzw. Ausstieg in die PRRS-Ferkelimpfung entscheiden vor allem die Ergebnisse der labordiagnostischen Untersuchung. Dabei spielt die PCR-Untersuchung (Polymerase-Ketten-Reaktion) inzwischen eine wichtige Rolle. Denn ein Elisa-Test kann nicht zwischen Impf- und Feldviren unterscheiden. Ein Impfausstieg ist nur möglich, wenn der Bestand frei von PRRS-Feldviren ist.
APP-Schutzimpfung
Ein Bakterium, gegen das Ferkel häufig geimpft werden, ist das Actinobacillus pleuropneumoniae (APP). Zur Erkrankung kommt es meistens zwischen der 9. und 16. Lebenswoche. Das Bakterium tritt in zwei Biovaren (Stämmen) und mittlerweile 15 verschiedenen Serotypen auf, die unterschiedlich krankmachend sind. Insbesondere die Serotypen 1, 2, 5 und 9 gelten als sehr pathogen.
Bei der perakuten (plötzlich auftretenden) Verlaufsform kommt es oftmals nicht einmal mehr zum Auftreten von Husten. Die erkrankten Schweine weisen stattdessen hohes Fieber (42°C) auf. Zudem leiden sie unter einer massiven Herz-Kreislauf-Schwäche. Die Ohren und die Rüsselscheibe können sich dadurch blaurot verfärben. Es kommt zu Maulatmung und Schaumbildung vor dem Maul. Innerhalb weniger Stunden können die erkrankten Schweine dann verenden.
Auch beim akuten Verlauf der Erkrankung stirbt ein großer Teil der Tiere, wenn sie nicht rechtzeitig behandelt werden. Fieber bis 41°C und massiver Husten sind typisch für diese Verlaufsform. In dauerhaft infizierten Beständen beobachtet man dagegen eher die chronische Verlaufsform. Die Tiere haben wenig bis gar kein Fieber. Sie husten, atmen be-schleunigt, kümmern und ihre Haut wirkt blass.
Da häufig mehrere Serotypen im Bestand kursieren, werden inzwischen nur noch Serotyp-übergreifende Impfstoffe angeboten. Die Impfung sollte erst nach der Säugephase erfolgen, aber bis zum Ende der Flatdeckphase abgeschlossen sein. Bislang gibt es nur Einzelimpfstoffe gegen APP. Sie werden von Ceva, MSD, Livisto und Virbac angeboten.
Coliimpfungen nehmen zu
Bei Coliinfektionen unterscheidet man zwischen Absetzdurchfällen und der Ödemkrankheit. Sie werden durch unterschiedliche Colistämme verursacht. Für beide Erkrankungen stehen kommerzielle Einzelimpfstoffe zur Verfügung, die sehr spezifisch wirken. Im Vorfeld der Impfung muss deshalb eine genaue Diagnose der Stämme und der von den Bakterien gebildeten Toxine erfolgen. Die Impfungen erfolgen in der Regel in der ersten Lebenswoche.
Da der Antibiotikaeinsatz in der Tiermedizin aufgrund der zunehmenden Resistenzproblematik weiter reduziert werden soll und der Einsatz von Zinkoxid in der EU stark eingeschränkt ist, setzen inzwischen viele Betriebe auf Coli-Schutzimpfungen. In einigen Betrieben wird sogar gegen beide Erreger geimpft, gegen Absetzdurchfälle, hervorgerufen durch Colibakterien mit F4/F18-Fimbrien, und gegen die shigatoxinbildenden E.coli-Keime (STEC), die die Ödemkrankheit verursachen können.
Zwei Ileitisimpfstoffe zur Wahl
Der Erreger der Ileitis, Lawsonia intracellularis, ist in den deutschen Schweinebeständen weit verbreitet. Experten gehen inzwischen von einer 90%-igen Besiedlung der Bestände aus. Das klinische Bild der Erkrankung ist abhängig von der Erregerdosis. Bereits die Aufnahme von 1 g infiziertem Kot genügt, um eine Infektion auszulösen.
Bei jüngeren Tieren im Absetzferkel- oder Läuferalter und gleichzeitig niedrigem Erregerdruck überwiegen immer wieder auftretende Durchfälle, die aber nicht mit Fieber einhergehen oder das Allgemeinbefinden der Tiere beeinträchtigen. Die betroffenen Tiere kümmern jedoch und in der Mast wachsen die Gruppen dann auseinander. Das ist die häufigste Erscheinungsform. Einzelne Tiere sterben auch plötzlich.
Inzwischen werden zwei Vakzine gegen Lawsonien angeboten: Ein attenuierter (abgeschwächter) Lebendimpfstoff, der oral (über das Maul) verabreicht wird, und ein inaktivierter Impfstoff, den man per Nadel in den Muskel injiziert. Die orale Verabreichung kann per Drencher oder über das Tränkewasser bzw. die Flüssigfütterung erfolgen. Bei Saugferkeln wird häufig gedrencht. Da sich der Infektionszeitpunkt aber zunehmend nach hinten verschiebt, wird in letzter Zeit die Verabreichung über das Tränkewasser interessant.
Die Injektion per Nadel bietet den Vorteil, dass jedes Tier auch wirklich die nötige Impfdosis erhält. Zudem muss vor dem Impfen kein antibiotikafreies Zeitfenster eingehalten werden wie bei oraler Verabreichung. Denn Antibiotikarückstände in den Leitungen können das Impfvirus inaktivieren.
Um den optimalen Impfzeitpunkt zu wählen, ist in jedem Fall vorher eine genaue Diagnose und Bestimmung des Infektionszeitpunktes nötig. Boehringer und MSD bieten Einzelimpfstoffe gegen Lawsonien an. Bei MSD kann die Impfung mit dem Kombiimpfstoff M.hyo/PCV2 kombiniert werden. Und intradermal lässt sich die Lawsonien- mit der PCV2-Impfung verknüpfen.
Glässersche Krankheit
Glaesserella parasuis, der Erreger der Glässerschen Krankheit, kann in Stresssituationen eine Polyserositis verursachen. So bezeichnet man die gleichzeitige Entzündung der Häute mehrerer Körperhöhlen. Das kann das Brust- und Bauchfell sowie den Herzbeutel betreffen. Typische Symptome sind Lahmheiten, Husten und Kümmern.
Man unterscheidet mindestens 15 verschiedene Serotypen des Erregers, von denen aber nicht alle krank machen. Insbesondere wenn Vorerkrankungen wie eine Circo-, PRRS- oder Influenzainfektion bestehen, kann es zu hohen Erkrankungsraten kommen.
Zurzeit ist nur noch ein kommerzieller Impfstoff verfügbar, der von MSD angeboten wird. Der Impfstoff deckt ausschließlich den Serotyp 5 ab, der in deutschen Beständen allerdings weit verbreitet ist. Für andere Serotypen bleibt nur die Herstellung eines stallspezifischen Vakzins (Autovakzin). Vor dem Einsatz des Impfstoffes sollte daher unbedingt eine Serotypisierung des Erregers durchgeführt werden.
Ferkel werden ab der fünften Lebenswoche zweimal geimpft. Auch eine Mutterschutzimpfung wird empfohlen. Das Impfschema sollte jedoch in jedem Fall auf die Gegebenheiten und die Erregerlage im jeweils betroffenen Betrieb abgestimmt werden.
Gegen Salmonellen impfen
Der von Ceva angebotene Einzelimpfstoff gegen Salmonella typhimurium kann ein Baustein der Salmonellenbekämpfung im jeweiligen Bestand sein. Der Lebend-impfstoff ist sowohl für die Mutterschutzimpfung bei Sauen als auch für die Ferkelimpfung per Drencher zugelassen. Ferkel werden ab dem dritten Lebenstag zweimal im Abstand von drei Wochen geimpft.
In den meisten Betrieben wird nicht wegen akuter Salmonellendurchfälle geimpft, sondern aus vermarktungstechnischen Gründen. Ziel ist, die Antikörperbildung zum Zeitpunkt der Schlachtung zu reduzieren, um als Mastbetrieb nicht in die SalmonellenkategorieIII eingestuft zu werden.
Hier ist jedoch Vorsicht geboten. Denn bis zur Schlachtung können sich die Tiere trotz Impfung immer wieder mit Salmonellen aus ihrer Umgebung anstecken, sodass es zum Schlachttermin dennoch zu hohen Antikörpertitern kommen kann. Deshalb muss der Salmonellenimpfstoff mindestens ein Jahr lang eingesetzt werden. Auf diese Weise lässt sich die Salmonellenlast im jeweils betroffenen Betrieb nachhaltig reduzieren.
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Dr. Hendrik Nienhoff, Schweinegesundheitsdienst der LUFA Nord-West