SUS 3 / 2024

Gelobtes Land für Schweinehalter

Rumänien und Ungarn wollen mit großen Fördertöpfen die Schweinefleischerzeugung ankurbeln. Doch beide Länder kämpfen mit strukturellen Schwächen und der ASP.

Blickt man auf die europäische Schweinebranche, wird eines schnell deutlich. Gerade die ­großen Produzenten im Staatenbündnis wie Deutschland, Dänemark, die Niederlande oder Belgien müssen sich mehr oder weniger mit den gleichen Problemen auseinandersetzen. Dazu zählen scharfe Umwelt- und Tierschutzgesetze, Kostendruck, Kritik an der modernen Tierhaltung und in vielen EU-Ländern ein sinkender Fleischverzehr.

Fazit
Ungarn und Rumänien müssen große Mengen Schweinefleisch importieren.
Beide Länder bieten durch ihre fruchtbaren Futterflächen Entwicklungschancen in der Veredlung.
Neben den traditionsreichen ­Hinterhofhaltungen sind bereits viele große Integratoren aktiv.
Neubauprojekte werden massiv gefördert.
Strukturprobleme im vor- und nachgelagerten Bereich sowie die ASP sind große Herausforderungen.

Doch es gibt auch Mitgliedsländer, wo den Erzeugern nicht so ein rauer Wind entgegenweht. Ganz im Gegenteil: Wer in den Schweinesektor investieren will, wird mit offenen Armen empfangen. Zu dieser Riege gehören z. B. die beiden osteuropä­ischen Staaten Rumänien und Ungarn.

Beide Länder liegen im Ranking der EU-Schweinefleischesser mit ca. 30 kg pro Einwohner und Jahr immerhin im vorderen Mittelfeld. Gleichzeitig prägen einfache Hinterhofhaltungen die Erzeugung und man ist gezwungen, rund 70 bis 80 % des Schweinefleisches zu importieren. Grund genug für die Regierungen in Bukarest und Budapest die nationalen und europäischen Fördermöglichkeiten auszuschöpfen, um die eigene Veredlung mit Hochdruck nach vorne zu bringen.

Viele Kleinstbetriebe

Bezogen auf die Bestandsgrößen in an­­deren, flächenmäßig teils deutlich klei­neren EU-Mitgliedsstaaten bietet sich dafür auch reichlich Entwicklungspotenzial. Den Zahlen der EU-Statistikbehörde Eurostat zufolge wurden in Rumänien und Ungarn im vergangenen Jahr 3 bzw. 2,5 Mio. Schweine gehalten. Zum Vergleich: Spanien als größter EU-Schweinehalter kommt auf einen Bestand von 34 Mio. Tieren, gefolgt von Deutschland mit knapp 21 Mio. Schweinen.

Auch in puncto Produktionsstrukturen trennen gerade Rumänien noch Welten von der EU-Spitzengruppe. So wird Schätzungen zufolge ein Viertel des na­­tionalen Schweinebestandes von Privatleuten in Hinterhöfen gehalten – so viel wie in keinem anderen EU-Land.

Ungarn ist da etwas weiter. Schlechte Erzeugerpreise und dürrebedingte Missernten haben dafür gesorgt, dass allein im Jahr 2022 rund 17 % der Schweinehalter aufgaben, darunter viele Kleinstbetriebe. In der Folge konzentriert sich mittlerweile 70 % des Bestandes auf 120 größtenteils vollintegrierte Unternehmen.

Auf der anderen Seite machen die durchschnittlichen Bestandsgrößen deutlich, dass die Hinterhofhaltung auch hier noch Tradition hat. Trotz des massen­haften Ausstiegs vieler kleiner Schweinebetriebe stieg diese Kennzahl zwischen den Jahren 2020 und 2023 nur von 64 auf überschaubare 104 Tiere je Betrieb.

Große Integratoren aktiv

Beide Länder sind also darauf aus, ihre Schweinehaltung zu professionalisieren und dabei setzt man auf die Expertise und Kapitalkraft ausländischer Investoren. Angefangen beim international tätigen Fleischkonzern Smithfield, der zur chinesischen WH-Gruppe gehört. Das Unternehmen ist Rumäniens größter Schlachtschweineproduzent und hält dazu auf fünf Betriebsstandorten mehr als 40.000 Sau­en. Dem Konzernkons­trukt direkt zu­­geordnet werden insgesamt 49 Betriebe mit einer jährlichen Produktion von über 1 Mio. Schlachttieren.

Ebenfalls gut im Geschäft ist die dänische Integration Premium Porc, die pro Jahr über 600.000 Schlachtschweine vermarktet. Die Skandinavier haben sich darauf spezialisiert, stillgelegte Großbetriebe zu übernehmen und nach dänischen Standards umfangreich zu modernisieren. Unter den aktuell zehn Groß­anlagen der Konzerngruppe finden sich aber auch einige imposante Neubauprojekte, darunter eine vor zwei Jahren errichtete Sauenanlage für 5.200 Tiere im Südosten des Balkanstaates.

Niederländer gehen voran

In Ungarn sind viele bekannte Personen und Unternehmen der nordwest-europäischen Schweinebranche aktiv. Aus den Niederlanden haben sich hier dem Branchenmagazin Boerderij zufolge z. B. neben Adrianus Straathof jüngst die Besitzer des Schlachthofes van Rooi niedergelassen. Zu einem Mastbetrieb mit 70.000 Plätzen, der derzeit noch mit Ferkeln aus der Heimat bestückt wird, betreiben die Brüder Marc und Addy van Rooi einen Schlachthof im Westen des Landes.

Vor einigen Monaten sorgte das In­­vestitionsprojekt des niederländischen Viehhandelsunternehmens Hunland für Aufmerksamkeit. Die Besitzer Suzanne und Jos Janssen bewirtschaften bereits seit einigen Jahren Milchvieh- und Rindermastbetriebe in Ungarn und haben ein Lohnmastmodell mit einer jährlichen Produktion von etwa 60.000 Schlachtschweinen pro Jahr aufgebaut.

Da Ferkel in dem Land knapp und teuer sind und der Import von Jungtieren durch scharfe Transportregeln er­­schwert wird, entschied man sich für den Einstieg in die Sauenhaltung. Im Sommer letzten Jahres hat das Unternehmerpaar nach einer Bauzeit von 14 Monaten einen mehrstöckigen Stall für über 4.000 Sauen und einen Aufzuchtstall für rund 18.000 Ferkel in Betrieb genommen. Zur offiziellen Stalleinweihung kam selbst der un­­garische Landwirtschaftsminister.

Massive Förderstrukturen

Und das macht auch deutlich, wie gerne die Budapester Regierung solch prestigeträchtigen Investitionen in die Schweinebranche sieht und entsprechend fördert. So hat Hunland für sein 20 Mio. € schweres Stallbauprojekt einen Zuschuss von rund 5 Mio. € erhalten. Diese Gelder, die mit einem Höchstfördersatz von bis zu 40 % der Investitionssumme ausgeschüttet werden, stammen überwiegend aus EU-Fördertöpfen.

In Rumänien sind die Fördersätze noch attraktiver. Der nationale Strategieplan zur Förderung der Schweinefleisch­erzeugung wird ebenfalls mit EU-Geldern unterfüttert und sieht Subventionen von bis zu 80 % der Investitionssumme vor. Durch den Fünf-Jahres-Plan will die Regierung das Handelsdefizit beim Schweinefleisch gleich ganz auf Null ­setzen.

Schweine in Hinterhöfen

Schätzungen zufolge wird ein Viertel des rumänischen Schweinebestandes in Hinterhöfen gehalten. Das erschwert die ASP-Bekämpfung massiv. (Bildquelle: Imago/Shotshop, Börries)

56.000 neue Sauenplätze

Dafür wird speziell dem Ausbau der Ferkelerzeugung höchste Priorität beigemessen. Denn die hohen Kosten für den Ferkelimport bremsen die Fleischproduktion aus. Berechnungen des Landwirtschaftsministeriums zufolge müssen rumänische Mäster für ein Importferkel aktuell 128 € ansetzen. Die Kosten für ein in Rumänien erzeugtes Ferkel beziffert das Ministerium dagegen auf knapp 60 €.

Und wie es scheint, trägt die Initiative bereits erste Früchte. Im Herbst vergangenen Jahres erklärte Landwirtschafts­minister Florin Barbu, dass derzeit Förderverträge für den Bau von rund 56.000 Sauenplätzen laufen. Wenn diese in etwa zwei Jahren umgesetzt sind, rechnet der Politiker mit einer zusätzlichen Jahresproduktion von 1,6 bis 1,8 Mio. Ferkeln.

Die verlockenden Förderkonditionen entfalten aber auch an anderer Stelle ihre Wirkung. So haben sich die Preise für die fruchtbaren Böden landesweit deutlich verteuert. Kostete im Jahr 2007 ein Hektar Ackerland noch gut 2.000 €, sind es heute je nach Region mindestens 7.500 €. Das trifft insbesondere auf Gegenden zu, die mit einer guten Infrastruktur für die Veredlung aufwarten können.

Kleine Schlachthöfe

Denn neben dem ungeheuren Potenzial, das beide Länder bieten, gibt es auch zahlreiche Herausforderungen. Das fängt in einigen siedlungsärmeren Gegenden Rumäniens bereits beim Straßennetz und dem fehlenden Personal an. Einige Landesregionen sind kaum durch asphaltierte Straßen erschlossen und gerade die Arbeitergenerationen zwischen 25 und 50 Jahren werden mit besseren Verdienstaussichten nach Westeuropa gelockt.

Zudem fehlt es vielerorts an profes­sionellen, schlagkräftigen Strukturen im vor- und nachgelagerten Bereich. Nicht von ungefähr betreibt Smithfield in ­Ru­­mänien selbst zwei Futterwerke, die zusammen 32.000 t Futter in der Woche produzieren. Für die Versorgung mit ­Ge­­netik unterhält der Großkonzern, ge­­nau­­so wie Premium Porc, eigene Eber­stationen und Vermehrungsbetriebe.

Auch die Vermarktung ist herausfordernd. Die Schlacht- und Verarbeitungsbranche ist geprägt von kleineren Betrieben, die bekannt sind für unzuverlässige Absprachen und Zahlungsausfälle. Viele große Integratoren folgen deshalb dem Beispiel von Smithfield und bilden durch eigene Schlachthöfe sowie nachgeschaltete Verarbeitungs- und Verpackungsbetriebe die komplette Wertschöpfungskette selbst ab.

Fakten
30 kg - Schweinefleisch verzehrt jeder Ungar bzw. Rumäne im Jahr.
80 % - der Stallbaukosten werden in Rumänien gefördert.
70 % - des ungarischen Bestandes konzentriert sich auf 120 Unternehmen.

Risikofaktor ASP

Abseits dieser strukturellen Probleme müssen sich die osteuropäischen Schweinehalter seit Jahren noch einer ganz anderen Bedrohung stellen – nämlich der Afrikanischen Schweinepest (ASP). Im Jahr 2017 erst in Rumänien und ein Jahr später in Ungarn erstmals offiziell aufgetreten, hatte die Seuche beide Länder über lange Zeit fest im Griff.

Während es in Ungarn vor allem zu sehr vielen Ausbrüchen in der großen Wildschweinpopulation kam, gab es Jahre, in denen Rumänien unter allen betroffenen EU-Ländern die meisten ASP-Infektionen in Hausschweinebe­ständen verzeichnete. Allein im bisher schlimmsten ASP-Jahr 2021 wurden an die 1.700 Infektionen in Hausschweinebeständen registriert.

Der nationalen Veterinärbehörde (ANSVSA) zufolge geht die größte Seuchengefahr von den vielen Privathaltungen aus. Hier werden oftmals keinerlei Biosicherheitsmaßnahmen ergriffen. Und gerade in ärmeren Regionen Rumäniens passiert es häufig, dass die Menschen in ihrer Not ASP-infizierte Schweine schlachten oder weiterverkaufen. In einigen Fällen sollen auch verendete Tiere in Wäldern und auf Weiden vergraben oder gar in Gewässern entsorgt worden sein.

Angesichts dieser Umstände ist es nicht verwunderlich, dass es auch immer wieder professionelle, gut abgeschirmte Großbetriebe erwischt. Darunter zahlreiche Anlagen von ausländischen Integrationen und im Jahr 2018 sogar den größten Mastbetrieb des Landes mit 140.000 Tieren. Rumänien als auch Ungarn sind ge­­fordert, nicht nur Fördergelder auszuschütten, sondern den Schweinehaltern auch tragfähige Produktionsbedingungen zu bieten. Und dazu gehört auch die Etablierung hoher Biosicherheitsstandards.