Erwin van de Wolfshaar hat Ausdauer bewiesen: Ganze 14 Jahre kämpfte der heute 37-Jährige für die Baugenehmigung seiner 2100er-Sauenanlage in Aalten in der niederländischen Provinz Gelderland. Immerhin gab es nach sieben Jahren einen Teilerfolg und er konnte für die ersten 1000 Sauen bauen.
Nach zähen Auseinandersetzungen mit den Nachbarn wurde dann im Dezember 2020 endlich der Bau der restlichen 1100 Sauenplätze sowie von zwei Ferkelaufzuchtställen mit insgesamt 11000 Aufzuchtplätzen genehmigt.
„Diese lange Wartezeit konnten wir nur abpuffern, weil wir an unserem anderen Standort im 12 km entfernten Vragender bereits mit 2700 Sauen Ferkel erzeugt haben“, schildert Erwin van de Wolfshaar.
Sauen aus einem Zuchtbetrieb
Als die Baugenehmigung auf dem Tisch lag, diskutierten der Manager und sein Team in Aalten auch die Sauengenetik. Bis dato arbeitete man mit der eigenremontierten Nachzucht von 60 dänischen Jungsauen, die Erwins Vater Jan vor zwölf Jahren in Dänemark gekauft hatte.
Weil mit dieser Genetik die Leistung bei 31 abgesetzten Ferkeln stagnierte und auch die Tiergesundheit nicht zufriedenstellend war, entschieden sich Erwin van de Wolfshaar und sein Betriebsleiter Andres Pouwels für eine Depopulation der bestehenden Herde mit anschließender Repopulation auf eine neue Genetik.
Aufgrund der guten Kundenerfahrungen mit den dänischen Ferkeln und des gesammelten Know-how im Umgang mit der dänischen Sau sollte es erneut dänische Genetik sein. Doch welcher Anbieter konnte in wenigen Wochen 2100 Jungsauen liefern, davon 800 angedeckte, teils hochtragende Sauen?
Schließlich bekam das Zuchtunternehmen Gesing Tierzucht den Zuschlag. Vorteil war, dass der angeschlossene Zuchtbetrieb Doberschütz in Sachsen alle Sauen liefern konnte.
Ehrgeiziger Zeitplan
Doch bevor die ersten neuen Sauen auf den Betrieb kamen, stand eine intensive Reinigung und Desinfektion des bestehenden 1000er-Sauenstalls sowie der Neubau der weiteren 1100 Sauenplätze an. Der ambitionierte Zeitplan sah so aus:
- Im Januar 2021 wurden die letzten Sauen der alten Herde besamt. Ab diesem Zeitpunkt kamen nach dem Absetzen die Sauen zum Schlachten.
- Ab April 2021 haben die Mitarbeiter in Aalten die frei gewordenen Abteile nach und nach gereinigt. Auch die Güllekanäle wurden komplett leergefahren. Nach den intensiven Reinigungen gab es zwei Desinfektionsdurchgänge mit flüssigem Desinfektionsmittel und einen Durchgang mit einem gasförmigen Mittel. Zur Erfolgskontrolle wurden Abklatschproben gezogen.
- Im Mai 2021 verließen die letzten Sauen und Babyferkel die Anlage. Knapp drei Wochen stand sie anschließend leer.
- Am 21. Juni 2021 trafen die ersten hochtragenden Sauen in Aalten ein. Ab diesem Zeitpunkt kamen jede Woche 2 bis 3 Lkw mit jeweils 50 bis 55 tragenden Sauen an, insgesamt waren es 15 Lkw. Nach einigen Wochen wurden dann die ersten 150 Jungsauen geliefert. Insgesamt gingen zehn Jungsauen-Lkw auf die Reise von Sachsen in die Niederlande. Im Dezember 2021 kamen die letzten Sauen auf den Betrieb.
SPF-Status und viele Ferkel
„In Summe hatten wir einen Leerstand von knapp drei Wochen. Das war risikoreich, schließlich werden acht Wochen empfohlen“, weiß Erwin van de Wolfshaar. Doch er wollte den Produktionsausfall mit sieben Wochen so kurz wie möglich halten.
Sein Risiko wurde belohnt. Die Herde hat den SPF-Gesundheitsstatus (spezifisch-pathogen-frei), ist somit unverdächtig für PRRSV, Mykoplasmen und APP. Zur Überprüfung des Gesundheitsstatus zieht ein Tierarzt jeden Monat Blutproben. Die Ferkel werden nur gegen PCV2 geimpft.
Gleichwohl war der Start mit den ersten Sauen herausfordernd. Die Jungsauen brachten im Schnitt 16,3 lebend geborene Ferkel zur Welt. „Weil wir noch keine Ammensauen hatten, mussten wir in den ersten Wochen viele Ferkel versetzen“, erinnert sich Andres Pouwels.
Um die vielen Ferkel aufzuziehen, ist auch die Nutrix-Saugferkelfütterung für ihn unverzichtbar geworden. In den ersten sechs Lebenstagen erhalten die Ferkel darüber Wasser, ab dem siebten Lebenstag wird Futter ausdosiert. Dafür stehen in der Futterzentrale zwei Nutrix-Anmischbehälter.
Anfangs gab es bei einigen Jungsauen Durchfallprobleme. „Wir haben zu fein vermahlenes Getreide bekommen“, nennt Pouwels den Grund. Das Sauenfutter besteht aus Getreideschrot, Kartoffelschalen und Mineralfutter und wird in der eigenen Mischanlage gemischt. Eine eigene Fermentationsanlage steht zudem kurz vor der Fertigstellung.
Gute Futtereffizienz
In puncto Fütterung mussten Andres Pouwels und sein Team zudem lernen, dass die neuen Sauen weniger Futter benötigen als die alten. „Das liegt am hohen Gesundheitsstatus, die Sauen brauchen weniger Energie für die Immunabwehr“, beschreibt Pouwels die bessere Futtereffizienz.
Zu Beginn der Säugezeit erhalten die Sauen 2,5 kg Futter, das dann auf maximal 6,7 kg für Jungsauen und 7,2 kg für Altsauen gesteigert wird. Die Flüssigfütterungsanlage dosiert anfangs zweimal am Tag Futter aus, ab dem zehnten Säugetag dreimal täglich.
Alles in allem schätzen Andres Pouwels und sein Team das Arbeiten mit den hochgesunden Tieren. Die Sauen sind ruhig, bringen viele frohwüchsige Ferkel zur Welt, und der Medikamenteneinsatz ist gering.
Wie Gesundheitsstatus halten?
Eine große Herausforderung und Anstrengung ist nun, den hohen Gesundheitsstatus zu halten. In Aalten setzt man dafür auf mehrere Bausteine:
- Alle Außentüren können nur mit einem Code geöffnet werden.
- Im Schwarzbereich der Hygieneschleuse gibt es für die Ferkelspediteure und Lieferanten von Betriebsmitteln ein eigenes WC und Dusche. Eine Waschmaschine und ein Trockner stehen bereit für die Wäsche und Handtücher, die in diesem Bereich anfallen.
- Es gibt vier Umkleiden mit Duschen, die über ein Magnetventil automatisch ca. 10 Minuten laufen. Im Weißbereich gibt es ebenfalls eine Waschmaschine und einen Trockner.
- Für das Besamungszubehör, Medikamente und sonstige Materialien stehen drei Schleusen mit UV-Licht zur Verfügung. Angeliefertes Ferkelfutter befindet sich in einem extra Raum vor der Futterzentrale drei Wochen in Quarantäne.
- Die Stallgänge sind gecoatet und werden regelmäßig desinfiziert.
- Tote Tiere werden in einen Kadaverbehälter gebracht, der in einem separaten Bereich innerhalb des Stalles steht. Erst am Ende des Arbeitstages schiebt man den Behälter durch eine extra Tür aus dem Stall und bringt ihn zur gekühlten Kadaverlagerung. Anschließend wird der Behälter desinfiziert.
- Vor dem Betreten der Jungsauenaufzucht müssen der Overall und die Stiefel gewechselt werden.
- Die Eigenremontierung ist ebenfalls ein Baustein für das Gesundheitsmanagement. Mithilfe der Wechselkreuzung erzeugt man in Aalten die Jungsauen für die eigene Herde sowie für die Anlage in Vragender. Neun Sauen pro Woche sind für die Nachzucht vorgesehen.
Welches die besten Sauen sind, teilt das Dienstleistungsunternehmen Next Genetix Andres Pouwels wöchentlich mit. Er vergleicht die Liste dann mit seinen Eindrücken von den Sauen und der Beurteilung ihrer vorausgegangenen Säugezeit. Auch die Zitzenzahl spielt eine Rolle. Letztlich besamt er die ausgewählten Sauen mit dem Vorstufensperma. Die Jungsauen werden in sechs Abteilen mit je 60 Tieren mit Extra-Futter aufgezogen.
Ferkel fürs Ausland
Etwa 3 bis 4% der erzeugten Ferkel sollen jährlich in die Zucht gehen. Weitere 2 bis 3% werden als Spanferkel geschlachtet. „Unser Ziel sind 80 bis 85% Verkaufsferkel“, erklärt Erwin van de Wolfshaar. Die restlichen Ferkel will er in gepachteten Mastställen selbst mästen.
Seine Kunden sind Mäster in Deutschland und Spanien. Zwischen 30 bis 50% der Ferkel gehen nach Spanien, hauptsächlich die Tiere aus der Anlage in Vragender, die keinen SPF-Status hat.
„Meine deutschen Kunden wollen hochgesunde Ferkel, die ohne Behandlungen zu Beginn der Mast direkt durchstarten und dann zügig wachsen“, weiß van de Wolfshaar. Derzeit vermarktet er seine Tiere direkt, denkt aber über eine Zusammenarbeit mit einem Vermarktungspartner nach.
Kosten fest im Griff
Der aktuell niedrige Ferkelpreis stellt auch ihn nicht zufrieden. Dennoch ist er überzeugt, dass sein Unternehmen diese Tiefpreisphase überstehen wird. „Auf den Marktpreis haben wir keinen Einfluss. Wir können nur das ändern, worauf wir einwirken können“, erklärt der Niederländer seine Überzeugung, dass er nur mit einem effektiven Kostenmanagement überleben kann.
Dabei setzt er auf mehrere Maßnahmen. Die Energie- und Stromkosten sind niedrig, weil beide Anlagen ihren Strom über eigene Solaranlagen selbst erzeugen. Mithilfe der Wärmerückgewinnung aus der warmen Abluft werden die Ferkelnester und die Fußbodenheizungen im Flatdeck beheizt. Zusätzliche Gasheizungen werden nicht benötigt.
Die Fermentation soll zudem die Futterkosten senken. Und der hohe Gesundheitsstatus sorgt – zumindest in Aalten – für geringe Medikamenten- und Impfkosten. Außerdem hat van de Wolfshaar dank seiner Unternehmensgröße und dem Zusammenschluss mit anderen Landwirten in Preisrunden mehr Verhandlungsspielraum.
Seine Ställe hat er zudem als frei tragende Gebäude gebaut, die Abteilwände bestehen aus Kunststoff. „So sind wir flexibel, was neue Haltungssysteme betrifft, beispielsweise Bewegungsbuchten, oder können die Ställe auch zu einer Halle, z.B. für Wohnwagen, umbauen”, erklärt der Niederländer. „Ich bin Unternehmer. Ich kann mir auch vorstellen, Kühe oder Hähnchen zu halten.”
Um bereits jetzt sein unternehmerisches Risiko zu streuen, investiert Erwin van de Wolfshaar auch außerhalb der Schweinehaltung in Solaranlagen, Ackerland und Immobilien. Sorgen vor der Zukunft hat er keine. Er kennt seine Stärken.