Wenn man mit Martin Hagemann aus Haltern am See über seinen Betrieb spricht und über das, was er sich in den letzten Jahren aufgebaut hat, dann spürt man viel Überzeugung. Seine unternehmerischen Entscheidungen geht der junge Schweinemäster aber genauso nüchtern an, wie er die Zukunft der Schweinehaltung in Deutschland einordnet. „Wir sind gut aufgestellt und fahren mit dem Betrieb auf Sicht. Ich wünschte es wäre anders, aber ich sehe aktuell nicht die Rahmenbedingungen gegeben, um mehrere Millionen Euro in die Schweinehaltung zu investieren“, stellt der Westfale klar.
Fazit
Martin Hagemann hat kurz nach der Betriebsübernahme 2014 einige Sanierungsmaßnahmen und einen Stallneubau in Angriff genommen.
Die 2.000 Mastschweine füttert er vierphasig. Als Eigenmischer setzt er auf Getreide, Mais und verschiedene Nebenprodukte.
Seine Duroc-Schweine kommen auf Tageszunahmen von 950 g.
Der Landwirt ist unsicher, ob er ohne festen Bonus weiterhin bei der ITW mitmacht.
Statt also über Bauzeichnungen und Gutachten für einen neuen Stall in Haltungsform 3 oder gar 4 zu brüten, versucht er das Bestmögliche aus seinem Mastbetrieb mit gut 2.000 Plätzen rauszuholen. „Wenn man ehrlich ist, muss doch eines klar herausgestellt werden: Wer in unserer Betriebsgröße bei fairen Erzeugerpreisen kein Geld verdient, wird das auch mit doppelt so vielen Tieren oder einem Stall in HF 4 nicht tun“, so Hagemanns klare Meinung.
Start nach dem Studium
Dabei hat der Halterner die Schweinehaltung ganz bewusst über die Jahre als Hauptbetriebszweig weiter ausgebaut. Die Voraussetzungen dafür waren schließlich gut. Denn als er im Jahr 2014 nach dem Agrarstudium in Osnabrück zuhause einstieg, hatten seine Eltern den Betrieb bereits auf die Schweinemast, den Ackerbau und den Verkauf von Weihnachtsbäumen ausgerichtet.
„Ich habe direkt losgelegt und in den nachfolgenden Jahren drehte sich eigentlich immer der Betonmischer“, blickt der Landwirt zurück. Als ersten Schritt pachtete er noch im selben Jahr einen Maststall mit gut 600 Plätzen. Den hatte ein Nachbarbetrieb Anfang der 2000er-Jahre unweit von Hagemanns Hofstelle im Außenbereich errichtet. „Fast zeitgleich habe ich auch unsere Altställe nach meinen Vorstellungen umgebaut. Angefangen von neuen Fliesen bis hin zu einem Komplettaustausch der Fütterung und Lüftung“, erzählt der umtriebige Landwirt.
Zwei Jahre nach seinem Einstieg legte Hagemann dann richtig los. In einem Zug baute er auf dem eigenen Hof einen neuen Maststall für 500 Tiere und angeschlossener Lagerhalle für Futtermittel. „Ich bin überzeugter Eigenmischer. Alles was wir auf unseren Feldern anbauen, veredeln wir über die Schweine“, so der Westfale. Zusammen mit dem Pachtstall, den er wenig später kaufen konnte, hält er nach den Kriterien der Initiative Tierwohl (ITW) etwa 2.000 Mastplätze.
Fester Ferkellieferant
Der 34-jährige Agraringenieur wird nicht müde, immer wieder seine Produktion auf den Prüfstand zu stellen. Angefangen beim Ferkelbezug. „Wir bekommen die Ferkel zwar nicht aus dem Nachbardorf, sondern aus den Niederlanden. Trotzdem gibt es einen engen Austausch zwischen mir und dem Händler bzw. Ferkelerzeuger“, erklärt Hagemann.
Diese Lieferbeziehung ist über Jahre gewachsen und hat auch in der schweren Preiskrise gehalten. „Natürlich wäre es wirtschaftlich eine Option gewesen, bei den zeitweise katastrophalen Schweinepreisen nicht direkt wieder Ferkel aufzustallen. Doch so funktioniert keine vernünftige Partnerschaft“, betont er.
Zumal sich der Markt mittlerweile komplett gedreht hat und sich Hagemanns faires Verhalten in der Krise jetzt auszahlt. „Ferkel sind Mangelware und mein Sauenhalter könnte das voll zu seinen Gunsten ausnutzen. Das tut er aber nicht und wir können offen und ehrlich über die Höhe der Aufschläge, Liefertermine oder Impfungen diskutieren“, schildert der Landwirt.
Letzteres ist ihm auch mit Blick auf die Tiergesundheit besonders wichtig. So werden die Ferkel gegen Mykoplasmen, PCV 2, APP, PIA und PRRS geimpft. „Ich setze auf dieses umfangreiche Impfprogramm, weil wir in einer recht schweinedichten Region liegen und immer drei verschiedene Altersgruppen halten“, erläutert der Mäster.
Alle Ställe in einem Rein-Raus-Verfahren zu belegen, würde zwar in puncto Tiergesundheit Vorteile bringen. Für Hagemann ist aber das Vermarktungsrisiko bei den heutigen Preisvolatilitäten zu hoch und er möchte allzu heftige Arbeitsspitzen vemeiden. Neben einem Auszubildenden und Aushilfen arbeiten im Familienbetrieb nämlich keine Fremdarbeitskräfte.
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Eigener Futterbau
Die Arbeitsbelastung muss der Betriebsleiter auch wegen des eigenen Ackerbaus gut im Blick haben. Auf rund 82 ha baut er CCM-Mais, Weizen, Roggen und Wintergerste an. „Der Ackerbau läuft bei uns nicht nur halbherzig mit. Wir mischen das Futter selbst. Deshalb ist es mir sehr wichtig, dass das Erntegut eine hohe Qualität aufweist“, erklärt Hagemann.
Ergänzt werden die selbstgeernteten Futterkomponenten um etwas Zukaufgetreide und Nebenprodukte aus der Lebensmittelindustrie. „Ich habe vor acht Jahren angefangen, Nebenprodukte in die Ration einzubringen. Unsere Fütterungstechnik gab das her und ich probiere gerne neue Sachen aus“, erzählt Hagemann. Aktuell setzt er auf Brotmehl und ein fertig fermentiertes Mischprodukt, das er in einem 40 m³ Tanksilo zwischenlagert.
Schmackhafte Nebenprodukte
Auch wenn die Nebenprodukte momentan durch die niedrigen Getreidepreise nicht den gewohnten Effekt auf die Futterkosten haben, möchte er diese nicht mehr in seinen Rationen missen. „Die Produkte kommen aus der Lebensmittel- und Stärkeindustrie. Dadurch sind die enthaltenen Nährstoffe nahezu voll aufgeschlossen und hochverdaulich. Zudem wirken sie sich positiv auf die Schmackhaftigkeit und Homogenität des Futters aus“, so Hagemanns Erfahrung.
Allerdings muss man beim Einsatz von Nebenprodukten einige Dinge beachten. So ist das Mischprodukt nur etwa zehn bis vierzehn Tage haltbar. Und auch wenn der junge Landwirt noch nie große Pro-bleme mit stark schwankenden Inhaltsstoffen hatte, zieht er regelmäßig Proben. „Außerdem habe ich beim Brotmehl die Erfahrung gemacht, dass der Rationsanteil nicht über 25 % liegen sollte. Dieses Nebenprodukt enthält nämlich viel Na-trium bzw. Salz. Das macht die Tiere durstig und etwas nervös“, berichtet der Schweinehalter.
Tageszunahmen von 950 g
Wobei seine Tiere so schnell nichts aus der Ruhe bringt. Hagemanns Ferkelerzeuger belegt seine dänischen Sauen mit Duroc-Ebern. „Wenn die Ferkel mit im Schnitt 28 kg hier von der Klappe laufen, darf man nicht so genau hinschauen. Die sehen erst mal etwas strubbelig aus und wirken längst nicht so ausgedreht wie Schweine mit einer Piétrain-Abstammung“, schmunzelt der Mäster.
Dafür schätzt er die Robustheit der Durocs. Er hat kaum Tiere, die durch Fundamentprobleme oder dergleichen auffallen. Und auch wenn es im Hochsommer etwas wärmer wird, wirken die Schweine sehr vital und munter. „Unsere Krankenbuchten bleiben meist leer und die Verluste liegen bei nur 1 %“, zeigt sich der Betriebsleiter zufrieden.
Auch die Tageszunahmen von im Schnitt 950 g können sich sehen lassen. Allerdings muss die Fresslust der Durocs etwas gebremst werden. „Um zu verhindern, dass die Tiere verfetten, steigt der Rohfaseranteil in den Rationen im Mastverlauf von 3,6 auf bis zu 6 % an“, erläutert Hagemann. Um das mit seiner Flüssigfütterung umzusetzen, setzt er auf eine Sandwich-Silage. Bedeutet, dass CCM und rohfaserreiche Maissilage schichtweise im gleichen Fahrsilo einsiliert werden. Dazu bringt er noch Sonnenblumenschalen als weiteren Faserträger in die Ration ein.
Hohe Schlachtgewichte
Auch die Vermarktung ist auf die Genetik abgestimmt. „Die Durocs haben eine eher schwache Ausprägung der Teilstücke. Nach Auto-FOM würden sie gnadenlos abgestraft werden“, erklärt Hagemann. Er setzt stattdessen darauf, dass die Tiere zwar das AutoFOM-Verfahren durchlaufen, aber nicht nach Indexpunkten, sondern nach Muskelfleischanteil (MFA) bewertet werden.
In diesem Abrechnungsmodell liegt die Korridor-Obergrenze bei 105 kg. „Dass die Maske weit offen ist und nicht so schnell Abzüge drohen, kommt uns entgegen. Denn um Schinkengewichte von 18 bis 19 kg zu erreichen, muss ich die Tiere auf ein Ziel-Schlachtgewicht von 100 kg mästen“, erklärt der Westfale. Preislich kommt er mit diesem Abrechnungsmodell gut zurecht, zumal er im Schnitt bei einem Magerfleischanteil zwischen 60 bis 61 % liegt.
ITW 2025: Teilnahme ungewiss
Martin Hagemann ist zwar selbst nicht Mitglied, er hat aber mit einer großen Erzeugergemeinschaft einen Liefervertrag abgeschlossen. „Ich habe viele Jahre meine Tiere frei über einen Händler vermarktet. Weil ich aber auch an der Initiative Tierwohl teilnehme und meinen Bonus absichern wollte, habe ich mich vor zwei Jahren für eine Lieferpartnerschaft entschieden“, so Hagemann.
Festpreise sieht der Vertrag nicht vor, aber der Schweinemäster hat einen Wochenpreis ausgehandelt. Egal, ob die Schlachtschweine am Montag oder Sonntag weggehen, er bekommt einen Preis auf Basis der am Mittwoch ausgerufenen VEZG-Notierung. „Das senkt das Vermarktungsrisiko deutlich und wir können uns Diskussionen um die Abholtermine weitestgehend schenken“, nennt der Landwirt die Vorteile.
Gesprächsbedarf wird es aber wohl unweigerlich geben, wenn die ITW zum kommenden Jahr ihre Anforderungen an die staatliche Tierhaltungskennzeichnung bzw. mögliche Änderungen in der Tierschutz-Nutztierverordnung anpasst. Dabei ist der junge Unternehmer eigentlich voll von dem Konzept überzeugt. „Wir sind seit 2019 dabei und konnten mit vertretbarem Investitionsaufwand in unseren Bestandsgebäuden das Tierwohl steigern“, so der Schweinehalter.
Ihm bereitet es aber Sorgen, dass die Höhe des Bonus zukünftig frei verhandelt wird und er womöglich zur Erfüllung der neuen Vorgaben kräftig investieren muss. Generell würde er schon gerne weitermachen und auch die höheren Haltungsvorgaben umsetzen. „Doch dafür brauche ich Preisgarantien, die zu meinem Arbeits- und Investitionsaufwand passen. Das ist aber wahrscheinlich Wunschdenken. Am Ende fordert der Lebensmitteleinzelhandel viel, will gleichzeitig aber nur wenig Verantwortung übernehmen“, resümiert Hagemann nüchtern und fährt weiter auf Sicht.
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